Der Agent - The Invisible
es überhaupt denkbar war, dass jemand von Harpers Team in Madrid gefilmt worden war. Leider konnte Harper dazu gar nichts sagen, er stellte sich dieselbe Frage. Vor Kealeys und Kharmais Landung in Madrid hatte Pétains Team die Gegend, wo sie aktiv werden würden, genau unter die Lupe genommen - von dem Hotel, in dem sie abgestiegen waren, bis zu der Baustelle an der Calle de San Leonardo de Dios. Sie hatten nach Kameras der Verkehrspolizei und Überwachungskameras in der Hotelhalle und vor Geschäften Ausschau gehalten und ihre Wege so geplant, dass sie nicht gefilmt werden würden. Kurz, sie hatten alles getan, um die Möglichkeit auszuschließen, aber irgendwo musste ihnen etwas entgangen sein. In ein paar Minuten würde er erfahren, wo sie eine Kamera übersehen hatten.
In diesem Augenblick beendete Hayden sein Telefonat, wobei er den Hörer heftiger als nötig auflegte. Sein tiefer Seufzer ließ Brenneman und Andrews zu ihm hinüberblicken.
»James hat keine Ahnung, was los ist«, sagte er müde. Edward James war der amerikanische Botschafter in Spanien, der Amtsnachfolger von Hayden, der den Posten im Herbst 2007
übernommen und bis jetzt noch keine Möglichkeit bekommen hatte, sich wirklich zu profilieren. »Er schafft es nicht, einen Termin bei einem Regierungsmitglied zu bekommen, und der Außenminister nimmt seine Anrufe nicht mal entgegen. Genau genommen ist er seit acht Stunden kaltgestellt.«
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Brenneman, zwischen Andrews und Hayden hin und her blickend.
Hayden seufzte und zupfte an seinem Kinnbart. »Nichts Gutes, Sir. Was immer sie in der Hand haben, es muss ein hiebund stichfester Beweis sein. Einer, der es uns nicht ermöglicht, alles abzustreiten … Wenn sie sich nicht sicher wären, würden sie etwas herauszufinden versuchen, genau wie wir. Sie werden versuchen, uns kalt zu erwischen.«
»Was empfehlen Sie?«, fragte Brenneman.
Hayden zog eine Grimasse und schüttelte dann den Kopf. »Ich sage es ungern, Sir, aber es sieht so aus, als hielten sie die Trümpfe in der Hand. Ich schlage vor, dass wir uns um Schadensbegrenzung kümmern, statt unsere Verwicklung in die Geschichte rundherum abzustreiten, was nur mehr öffentliche Aufmerksamkeit erregen wird. Vielleicht können wir die Spanier dazu bringen, die Angelegenheit diskret zu behandeln, wenn wir ihnen im Gegenzug etwas anbieten. In ein paar Monaten steht unser Handelsabkommen mit ihnen auf dem Prüfstand. Womöglich lässt sich in der Richtung etwas drehen.«
Brenneman nickte nachdenklich und blickte Andrews an, der bereits heftig den Kopf schüttelte. »Wie denken Sie darüber?«
»Tut mir leid, Sir, aber ich bin anderer Meinung«, sagte Andrews mit einem respektvollen Nicken in Haydens Richtung. »Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können, hier etwas zuzugeben. Vergessen Sie nicht, dass sechs unschuldige
Passanten ums Leben gekommen sind. Wenn wir eingestehen, dass wir für den Tod dieser Menschen verantwortlich sind, endet das in einer diplomatischen Katastrophe. Der Vorfall in China war nichts dagegen.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Andrews musste seinen letzten Satz nicht weiter ausführen, weil alle wussten, wovon die Rede war. Sie erinnerten sich ohne Ausnahme an den langen diplomatischen Schlagabtausch, der seinen Anfang genommen hatte, als ein Aufklärungsflugzeug der U.S. Navy im Jahr 2001 über der Inselprovinz Hainan mit einem chinesischen Kampfjet zusammengestoßen war. Das amerikanische Flugzeug konnte sicher auf Hainan landen, aber der chinesische Pilot kam ums Leben. Die ernsthafte diplomatische Krise hatte begonnen, als das amerikanische Außenministerium Verhandlungen über die Rückgabe des Flugzeuges und die Freilassung der vierundzwanzig Crewmitglieder aufnahm. Letzteres geschah nach acht Tagen, doch das Flugzeug wurde erst nach drei Monaten zurückgegeben, und zwar in Einzelteilen, die von einer chinesischen Frachtmaschine transportiert wurden. Die Flugfähigkeit der amerikanischen EP-3E war von Inspektoren attestiert worden, aber der chinesischen Regierung kam es darauf an, das Gesicht zu wahren. Nach der Freilassung der Crewmitglieder war man zu der Ansicht gekommen, dass die internationale Öffentlichkeit es als Demütigung für die Chinesen und als Sieg der amerikanischen Regierung sehen würde, wenn das Aufklärungsflugzeug von chinesischem Boden abhob, als wäre nichts geschehen.
Trotzdem, so ernst der Vorfall gewesen sein mochte, irgendwann war die
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