Der Agent - The Invisible
Stück in die Luft gerissen, und als sie wieder landete, schmerzte ihr Steißbein von dem harten Aufprall. Sie stöhnte und ließ sich auf die Seite sinken, als ihre Brust und ihr Magen sich auf eine mittlerweile vertraute Weise verkrampften. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen, hörte aber nur ein würgendes Geräusch, das wegen des lauten Dieselmotors aus weiter Ferne zu kommen schien. Nach ein paar Minuten war es überstanden, die Übelkeit ließ nach.
Als die Magenkrämpfe vorbei waren, zumindest fast, setzte sie sich auf und lehnte den Kopf an die Metallwand, die die Fahrerkabine vom Laderaum trennte. Das war keine gute Idee, dachte sie angesichts der Aussicht, völlig zerschlagen am Ziel anzukommen. Ich hätte in Cartagena bleiben, nichts tun, die Tabletten nicht durchs Klo spülen sollen.
Aber es war ihre Entscheidung gewesen, sich auf den Weg zu machen, Harper zu bitten, ihr eine zweite Chance zu geben. Als Machado am Nachmittag zum Haus zurückgekehrt war, hatte er ihr das Satellitentelefon zurückgegeben und gesagt, Harper habe angerufen, während sie geschlafen habe. Als sie zurückrief, fiel ihr auf, dass die Liste der letzten Anrufe gelöscht
war, aber sie ließ es kommentarlos passieren. Sie wusste nicht, wen Machado mit ihrem Telefon angerufen oder ob er die Nummern einfach aus Gewohnheit gelöscht hatte, doch es war unwichtig.
Wichtig war dagegen, dass Harper zugestimmt hatte, sie wieder einsteigen zu lassen. Er hatte nicht ausdrücklich zugesagt, sie nach Pakistan zu schicken, aber sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war. Früher oder später würde er begreifen, dass er sie brauchte. Dass Ryan sie brauchte. Hoffentlich dämmerte ihm diese Einsicht möglichst schnell. Von Harper und aus den Fernsehnachrichten wusste sie, dass in Pakistan nichts Entscheidendes passiert war. Somit blieb ihr noch Zeit, um Harper umzustimmen. Seine Stimme hatte merkwürdig geklungen, als sie ihn anrief, als würde er nicht mit allem herausrücken, aber sie hatte beschlossen, es nicht weiter ernst zu nehmen.
Etwas überrascht war sie, als Harper Machado bat, sie außer Landes zu bringen, und noch erstaunlicher schien, dass der Spanier bereitwillig zustimmte. Er erledigte ein paar Anrufe, wieder mit ihrem Telefon, und der Laster, ein hinten mit einer Plane überdachter Mitsubishi Fuso, hatte in Rekordzeit vor der Tür gestanden. Dann hatte Machado völlig überraschend gesagt, er werde sie persönlich über die Grenze bringen. Das schien ihr riskant, und sie hatte es ihm gesagt, aber er wollte nichts von ihren Bedenken hören. Trotzdem beunruhigte sie etwas an seinem Verhalten, und sie hatte ein merkwürdiges Gefühl, das sie nicht ganz abschütteln konnte. Sie hatte stundenlang Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und schließlich war sie darauf gekommen, was ihr so seltsam erschien. Machado schaute ihr nie in die Augen, selbst wenn er mit ihr sprach, und er wirkte nervös. Aber nein, dachte sie, das trifft es nicht richtig. Er wirkt nicht nervös, sondern … resigniert.
Den Grund kannte sie nicht. Als er ihr vor ihrem Aufbruch in Cartagena das Telefon zurückgab, sagte er, der Akku sei gegen Ende seines Gesprächs mit Harper leer gewesen. Es stimmte, das Telefon ließ sich nicht mehr einschalten, und es war ihr nicht gelungen, zwischen ihren Sachen den Reserveakku zu finden, obwohl sie eine Stunde lang zunehmend hektisch danach gesucht hatte. Letztlich dachte sie, dass es eigentlich egal war; wenn alles gut lief, würden sie erst vor der amerikanischen Botschaft in Lissabon anhalten. Sie konnte Harper und Ryan von dort anrufen und sich dann ein Ticket für den nächsten Flug nach Pakistan besorgen.
Sie hörte ein Geräusch aus der Fahrerkabine. Einen Augenblick lang dachte sie an das Autoradio, aber es musste Machados Stimme gewesen sein. Als ihr klar wurde, was los war, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie hatten die Grenze erreicht, und Machado sprach mit einem Beamten. Ganz in ihren Gedanken verloren, war ihr entgangen, dass der Laster mehrfach stehen geblieben und wieder angefahren war, als sie in der Warteschlange nach vorn rückten.
Ein Ohr gegen die dünne Stahlwand pressend, lauschte sie atemlos, um zu verstehen, was gesagt wurde. Machados Stimme, ein ruhiger, zuversichtlicher Bariton, war leicht zu identifizieren, und sie entdeckte keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich irgendwie unbehaglich fühlte. Tatsächlich hätte seine Stimme kaum entspannter klingen können. Sie fragte sich,
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