Der Agent - The Invisible
würde es noch mehrere Stunden dauern, bis sie Position bezogen hatten. Von da an brauchten sie eigentlich nur noch zuschauen. Eventuell mussten Informationen nachgereicht werden, doch ansonsten durften sie sich nur nicht entdecken lassen, bis das Spezialkommando eintraf.
Bis dahin dauert es noch, dachte Harper. Es blieb nichts anderes zu tun, als zu warten. Er fand sich damit ab und setzte sich zu Andrews an den Konferenztisch.
Andrews redete immer noch mit Bale, hielt aber inne, als er seinen Stellvertreter sah. »Setzen Sie sich.« Er wartete, bis Harper Platz genommen hatte, und stellte dann die zu erwartende Frage. »Was hören Sie von Ihrem Mann vor Ort?«
Harper war klar, dass er Kealey meinte, aber im Grunde schloss es die Männer seines Teams ein. »Sie sind in der letzten Vorbereitungsphase und bald startklar. Aber es könnte noch ein paar Stunden dauern, bevor es losgeht. Wahrscheinlich melden sie sich erst wieder, wenn’s ernst wird.«
»Warum?«
Die Frage kam von Bale, und Harper blickte ihn an. »Alles andere wäre sinnlos, Sir. Wenn sie nichts zu berichten haben, laugen sie durch kontinuierliche Meldungen nur ihre Akkus aus. Vergessen Sie nicht, dass sie kein Satellitenfunkgerät haben
und daher auf das Telefon angewiesen sind. Sie werden sich nur melden, wenn es absolut notwendig ist, etwa dann, wenn sie Außenministerin Fitzgerald sehen.«
»Oder wenn etwas schiefläuft«, sagte Andrews leise.
»Das wird nicht passieren«, entgegnete Harper, aber es klang gezwungen. Er hatte Vertrauen in seine Leute, insbesondere in Ryan Kealey, doch wie alle anderen in dem Raum wusste auch er, was auf dem Spiel stand. Als er in die Runde blickte, fragte er sich, wie viele der Anwesenden das Interesse an Fitzgerald verlieren, sie völlig im Stich lassen würden, wenn sie nur so ihren Job retten könnten. Als Patriot hätte er gern angenommen, dass es nur wenige sein würden, aber eine zwanzigjährige Erfahrung mit der Regierungsbürokratie hatte ihn eines Besseren belehrt. Diejenigen, auf die wirklich Verlass war, waren die CIA-Agenten vor Ort in Pakistan, die Elitesoldaten der SPOD-D, die Piloten des 455th Air Expedition Wing und die Unterstützungskräfte, die auf der Bagram Air Base im Osten Afghanistans auf grünes Licht warteten.
»Wo genau sind Ihre Leute jetzt?« Bales Frage riss Harper aus seinen Gedanken. Bale wirkte besorgt. »Ich meine, wenn sie entdeckt werden, bevor sie überhaupt …«
Harper hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Das ist kein Problem, Sir.« Diesmal schaffte er es, seine Stimme sehr sicher klingen zu lassen, und er sah, dass Bales Miene sich etwas aufhellte. »Meine Männer sind etwa dreihundert Meter von dem Haus entfernt, und ihre Deckung ist gut. Sie sind dicht genug dran, um das Haus im Auge zu behalten, aber nicht so nah, dass ein Risiko besteht, geschnappt zu werden. Glauben Sie mir … Sie wissen, was sie tun.«
»Wollen wir’s hoffen«, murmelte Andrews. »Es wäre für uns alle besser.«
40
Sialkot
Balakh Sher Shaheed stand hinter Kureshis Haus und blickte in der nächtlichen Finsternis auf die fernen Lichter der 85-II-Kampfpanzer. Hinter der Panzerkolonne, die sich die Steigungen des Vorgebirges hinaufschlängelte, sah er vor dem Hintergrund des pechschwarzen Himmels gelegentlich gelbliche, ins Purpurne changierende Lichtblitze. Vielleicht hätte man an ein Gewitter denken können, doch Shaheed wusste, dass etwas anderes dahintersteckte, und dieser Gedanke erfüllte ihn mit einer kaum beherrschbaren Erregung. Vor elf Jahren hatte er diese Blitze schon einmal gesehen, nicht weit von dem Ort entfernt, wo er sich jetzt befand. Während er die letzte Zigarette aus dem zerknitterten Päckchen fischte und nach seinem Feuerzeug tastete, überkam ihn ein Gefühl des Stolzes, aber auch des brennenden Neides. Er wünschte sich nichts mehr, als in dieser Panzerkolonne mitzufahren und sich auf dem Schlachtfeld einen Platz in der ruhmreichen Geschichte seines Landes zu verdienen, wie es seinem Vater und Großvater gelungen war.
Er stammte aus einer Familie, wo die Männer seit Generationen Soldaten gewesen waren. Das erfüllte ihn mit großem Stolz, und er hatte sich selbst immer an seinen Vorfahren gemessen. Sein Großvater hatte 1947 im ersten großen Kaschmirkonflikt gekämpft, nach der fast zeitgleichen Loslösung Indiens und Pakistans von der Kolonialmacht Großbritannien.
Als der Verräter Hari Singh, der letzte regierende Maharadscha von Jammu und
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