Der Agent - The Invisible
abreißende Kette von Autos in östliche Richtung, wodurch ihr Fluchtweg blockiert war. Kealey war klar, dass ihm keine andere Wahl blieb. Zwei Polizisten hatten sich bereits in ihre Streifenwagen geschwungen und holten rasch auf.
»Runter!«, schrie er, als er das Lenkrad hart nach rechts riss und der Wagen auf den Bürgersteig ausscherte. Fußgänger
sprangen panisch zur Seite. Auf dem Trottoir drängten sich die Leute nicht gerade, aber einige waren nicht schnell genug, um sich in Sicherheit zu bringen und wurden von den Kotflügeln des Escort zur Seite gestoßen. Als die Ampel schon fast hinter ihnen lag, zuckte Kealey unwillkürlich zusammen und wandte den Blick ab.
Einen Augenblick darauf kam der unvermeidliche Zusammenstoß. Eine in Richtung Osten fahrende Limousine rammte die Rückseite des Escort und wirbelte ihn mitten auf der Kreuzung herum. Die hinteren Seitenfenster zersplitterten. Er hörte das ohrenbetäubende Geräusch von Metall auf Metall, als es hinter ihnen zu einer Massenkarambolage kam. Für ein paar Sekunden schien sich alles wie wild zu drehen, die umliegenden Häuser schossen vor seinen Augen vorbei, und dann kam der Escort mit ächzenden Stoßdämpfern zum Stehen. Der Motor war abgewürgt, und er schaltete instinktiv in den ersten Gang und drehte den Schlüssel, verzweifelt darauf hoffend, dass er wieder anspringen würde.
Erstaunlicherweise klappte es. Einen Moment lang stotterte der Motor, dann lief er. Er gab Gas, manövrierte den ramponierten Escort wieder auf die rechte Fahrbahn und raste in Richtung Zentrum. Der Rückstau hinter ihnen hatte den Streifenwagen den Weg abgeschnitten, doch das verschaffte ihnen nur vorübergehend eine Atempause. Mit Sicherheit waren bereits weitere Streifenwagen unterwegs, was durch das näher kommende Heulen von Sirenen bestätigt wurde.
»Alles in Ordnung?«, fragte er, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. »Hat jemand was abbekommen?«
»Mir fehlt nichts«, sagte Pétain, die außer Atem zu sein schien. Er sah, dass sie den Sicherheitsgurt vor ihrer Brust nach vorn gezogen hatte. Die Kollision musste sie völlig überrascht
haben, und als der Gurt einrastete, hatte er ihr die Luft aus den Lungen gepresst.
»Was ist mit dir, Naomi?«
»Alles in Ordnung«, antwortete sie in einem seltsam monoton klingenden Tonfall. Beunruhigt warf er einen Blick über die Schulter, doch sie schien nicht verletzt zu sein. Sie schaute mit einem starren Blick an ihm vorbei durch die Windschutzscheibe. Er war erleichtert, dass beide den Gurt angelegt hatten, er selbst hatte es vergessen. Trotzdem hatte er es irgendwie geschafft, die Episode unbeschadet zu überstehen.
»An der nächsten Ecke links«, sagte Pétain, als Kealey wieder nach vorn schaute. »In die Calle de los Reyes.«
»Gibt’s da irgendwo ein Parkhaus, wo wir für ein paar Minuten ungestört sind?«, fragte er.
»Nein, aber da wären sowieso Überwachungskameras«, antwortete Pétain. »Wir müssen dieses Auto so schnell wie möglich loswerden. In ein paar Minuten hat die Polizei die Gegend abgeriegelt.«
Kealey nickte verärgert, das mit den Kameras hätte ihm selbst einfallen können. Er folgte Pétains Anweisung, bog in die enge Seitenstraße und fand einen Parkplatz am Bordstein. Sie stiegen aus und ignorierten die irritierten Blicke, die das ramponierte Auto auf sich zog. Es waren mehrere Sirenen zu hören, die aus der Nähe zu kommen schienen, doch Kealey vermutete, dass die Streifenwagen zur Calle de San Leonardo de Dios unterwegs waren, wo sich die Explosion ereignet hatte. Im Augenblick schienen sie nicht in akuter Gefahr zu schweben.
»Haben Sie Ihr Handy noch?«, fragte er Pétain.
Sie fuhr mit der Hand über ihre rechte Tasche und nickte. In Gedanken bei den Stadtplänen, die er am Morgen studiert
hatte, blickte Kealey auf die Uhr. »Wir treffen uns im Botanischen Garten in der Nähe des Prado, sagen wir in zwei Stunden. Ich melde mich vorher telefonisch, um die genaue Stelle durchzugeben.« Er brauchte nicht weiter ins Detail zu gehen; am Abend zuvor hatten sie sich auf die Formulierungen geeinigt, die sie benutzen würden, falls sie festgenommen und gezwungen wurden, unter Druck zu reden. Er war sich sicher, dass sie davongekommen waren, zumindest fürs Erste, aber die Vorsichtsmaßnahmen waren ihm nach vielen heiklen Operationen im Ausland in Fleisch und Blut übergegangen. Er konnte sie nicht über Bord werfen, nicht einmal in extrem angespannten Situationen.
Weitere Kostenlose Bücher