Der Agent - The Invisible
keinen weiteren Fehler mehr leisten. Mit Sicherheit keinen von diesem Kaliber.«
Harper nickte zustimmend und bemühte sich, Andrews nichts davon merken zu lassen, dass er ähnliche Befürchtungen hegte. Tatsächlich waren sie noch weitaus schlimmer, da er sehr viel mehr über Kealey und Kharmai wusste als der Direktor. Trotzdem hatte er nicht vor, es Andrews zu sagen. Wenn er es tat, wurden die beiden umgehend nach Hause beordert, und damit war die Luft raus bei der Operation. Ob es ihm gefiel oder nicht, am besten war es, die beiden ihren Job tun zu lassen und das Beste zu hoffen.
Andrews schlug den Rückweg ein, und Harper folgte ihm. Aus der Ferne hörte man schon Donnergrollen, und die Luft wirkte wie elektrisch aufgeladen. Die ersten Tropfen fielen, Vorboten des aufziehenden Sturms.
»Noch etwas«, sagte Andrews. »Mir wäre es lieber, wenn wir uns ein bisschen mehr um Kaschmir kümmern würden. Mehr Personal, zusätzlicher Einsatz technischer Mittel, alles, was machbar ist. Nicht mehr lange, dann muss der Präsident sich wieder mit der dortigen Lage beschäftigen, und wenn es
so weit ist, wird er harte Fakten von uns verlangen. Sie sagten, Mengals Haus wird via Satellit beobachtet?«
»Genau. Insgesamt setzen wir sechs Satelliten ein, die natürlich vom NRO kontrolliert werden.« Das National Reconnaissance Office war jene Regierungsbehörde, der in erster Linie die Entwicklung, der Bau und Betrieb von Aufklärungssatelliten anvertraut waren. Ab Frühling 1999 war Harper für fast ein Jahr Verbindungsmann zwischen der CIA und dem NRO gewesen - ein ziemlich langweiliger Job, bei dem man aber doch einiges lernte.
»Wie viele jener Satelliten, die zuvor Truppenbewegungen in Kaschmir beobachtet haben, wurden abgezogen? Mir ist klar, dass wir dort noch die vier 8X-Modelle im Einsatz haben, aber was ist mit den KH-12-Satelliten? Wie viele wurden abgezogen?«
»Alle«, antwortete Harper nach kurzem Zögern.
Andrews schüttelte ungläubig den Kopf, schien sich aber mit der Situation abzufinden. »Die Geschichte gefällt mir nicht. Durch die Umprogrammierung dieser Satelliten wird nur unser Informationsfluss eingedämmt. Ich kann nicht auf CNN warten, um zu wissen, was los ist. Wir müssen die Nase immer vorn haben, und im Moment sieht es eher so aus, als würden wir hinterherhinken.« Er dachte einen Augenblick nach. »Aber da wir eine Anordnung des Präsidenten befolgen müssen, sind uns die Hände gebunden. Meiner Ansicht nach sind wir erst dann wieder im Rennen, wenn wir Mengal finden.«
»Ja, sieht so aus«, sagte Harper.
»Dann sorgen Sie dafür.« Andrews wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn und blickte seinen Stellvertreter an. »Machen Sie Kealey und Kharmai klar, dass sie Benazir Mengal finden müssen, und zwar schnell.«
Das Sheikh Zayed Postgraduate Medical Institute, benannt nach dem berühmten Sultan von Abu Dhabi, war mit seinen 286 Betten eines der größten Krankenhäuser von Lahore und ein ziemlich gut geführtes Haus, zumindest nach hiesigen Standards. Nach seiner Ankunft in Pakistan hatte Randall Craig gestaunt über das äußerst freundliche und kollegiale Verhalten der Ärzte und des Personals, sich aber nie gefragt, warum ihn das in Erstaunen versetzte. Er sah sich selbst als einen rationalen Mann, der anderen Kulturen offen gegenüberstand, doch zugleich hegte er eher unbewusst einige der gleichen Vorurteile wie viele andere Amerikaner. Diese Voreingenommenheit lauerte irgendwo unter der rationalen Ebene, und ihr entsprach ein undeutliches Bewusstsein seiner eigenen Stellung auf dieser Welt. Er hielt sich für etwas Besseres, und zwar aufgrund seiner Nationalität. Für ihn gab es schon immer etwas wie eine natürliche Ordnung der Dinge, doch er hatte nie genauer darüber nachgedacht. Er glaubte an eine Rangordnung der Nationen, wo Amerika ganz oben rangierte.
Ob es tatsächlich so war oder nicht, es blieb ein tröstlicher, ermutigender Gedanke, der sich in Pakistan umso mehr aufdrängte, einem Land, wo der Durchschnittsbürger nicht einmal achthundert Dollar pro Jahr verdiente. Natürlich kam man damit hier deutlich weiter als in den Staaten, doch es war trotzdem eine harte statistische Tatsache. Was das für die Menschen bedeutete, hatte er hautnah erlebt, seit er in Rawalpindi aus dem Flugzeug gestiegen war. Es erstaunte ihn immer wieder, wie die Pakistaner es schafften, aus so wenig so viel zu machen. Angesichts der Armut, die er Tag für Tag um sich herum sah, musste
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