Der Agent - The Invisible
Princeton, wo ihn die CIA angeworben hatte, für die er dann mehr als dreißig Jahre arbeitete. Er hatte unter anderem in Mexiko, Marokko, Algerien, Portugal und Frankreich Agenten geführt und laut Pétain einen großen Teil seines Lebens damit verbracht, aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten. Luis Méndez Machado war ein berühmter Dichter gewesen, der wegen seiner oppositionellen Haltung gegenüber dem Franco-Regime
in den Sechzigerjahren für längere Zeit im Gefängnis gesessen hatte.
Pétain war nicht bereit, in die Einzelheiten zu gehen, doch nach dem, was sie im Auto gesagt hatte, musste Javier Machado dem Schatten des übermächtigen Vaters entkommen sein. Während einer Geheimdienstlaufbahn, die nur als spektakulär beschrieben werden konnte, hatte er jede Menge Coups gelandet. Sein letzter Posten war der des Chefs des CIA-Büros in Lissabon, dann war er vor fünfzehn Jahren nach Spanien zurückgekehrt.
Das und mehr hatte Pétain während der nervenaufreibenden sechsstündigen Fahrt von Madrid nach Cabo de Palos erzählt. Wenngleich sie zuerst zögerte, über ihren Vater zu reden, war Kealey aufgefallen, welche Verehrung in ihrer Stimme lag, wenn sie nur seinen Namen aussprach. Als sie am Morgen eintrafen, leuchteten Machados Augen, als er seine Tochter sah. Er hatte sie liebevoll umarmt, genau wie Elise, seine Frau. In diesem Moment wusste Kealey, dass es für ihn und Naomi die richtige Entscheidung gewesen war, mit Pétain zusammenzubleiben. Machado hatte sie herzlich ins Haus gebeten. Offenbar wusste er nicht, was in Madrid passiert war und welche Rolle seine Besucher bei dem Vorfall gespielt hatten.
»Konnten Sie schlafen?«, fragte er jetzt. Kealey war aufgefallen, dass Machado lieber Spanisch sprach, und er tat ihm den Gefallen gern.
»Ja, danke der Nachfrage. Hat Langley sich gemeldet?« Nach der Ankunft in Cartagena hatte er Pétain das Globalstar-Satellitentelefon gegeben, und er vermutete, dass sie ihrem Vater von einem Anruf Harpers erzählt hätte.
»Nein, bisher noch nicht. Ich habe den Eindruck, Sie stecken ziemlich in der Klemme, mein Freund.«
»Was Sie nicht sagen«, murmelte Kealey, während er zur Tür ging. »Was ist mit Naomi?«, fragte er leise.
Machado zuckte die Achseln, sein Blick wirkte besorgt. »Seit sie hier ist, hat sie ihr Zimmer nicht verlassen. Elise wollte mit ihr reden, aber …« Wieder ein Achselzucken, dann wandte er den Blick ab. »Es ist Ihre Entscheidung, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen … Ich denke, Sie sollten sie in Ruhe lassen. Damit muss man zu gegebener Zeit allein fertig werden. Was natürlich nicht über Nacht geht. Bei solchen Geschichten ist das nie so.«
Kealey nickte nachdenklich. In seinem Kopf jagten sich widersprüchliche Gedanken, und keiner davon war angenehm. Nachdem sie in der Nähe des Prado ein zweites Auto gestohlen hatten, war er, Pétains Anweisungen folgend, in südlicher Richtung nach Cartagena gefahren. Sehr schnell brachte das Radio erste Berichte über das Ereignis in Madrid, doch sie waren alles andere als detailliert. Die Reporter ergingen sich in wilden Spekulationen, wie das ihre Kollegen auf der ganzen Welt tun. Als sie in der Nähe von Alb acete die E901 verließen, wurden die B e-richte fundierter, und ein großer öffentlich-rechtlicher Sender bestätigte das Schlimmste: Infolge der Explosion auf der Calle de San Leonardo de Dios waren mindestens vier Passanten gestorben, außerdem war ein junger Polizist getötet worden. Sechs Menschen schwebten in Lebensgefahr, und bei zweien rechnete man nicht damit, dass sie durchkommen würden.
Als dieser Bericht gesendet wurde, saß Kealey hinter dem Steuer, Pétain auf dem Beifahrersitz und Naomi auf der Rückbank. Irgendwann wandte sich der Nachrichtensprecher anderen Themen zu, und Kealey hörte von der Rückbank ein Geräusch - ein Mittelding zwischen einem Stöhnen und einem erstickten Schluchzen -, drehte sich aber nicht um. Er brachte
es einfach nicht über sich, weil die harten Fakten nicht zu leugnen waren, und Naomi wusste das besser als irgendwer sonst. Sie hatte die Explosion mit den besten Absichten herbeigeführt, wollte ihm und Pétain helfen, von der Baustelle zu entkommen. Das war ihr auch gelungen, doch dafür hatte es einer Tat bedurft, die sie ein Leben lang verfolgen würde.
Außerdem wusste er etwas, wovon Pétain keine Ahnung hatte. Vor zehn Monaten hatte Naomi in einem Akt der Selbstverteidigung zwei Menschen getötet. Zumindest hatte sie
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