Der Agent
Dachbalken. Dann prüfte er, ob das Seil gut gleiten würde. Da der Dachbalken selbst rund und glatt war, sauber befreit von sämtlicher Rinde, ließ sich das Seil so mühelos ziehen, als wäre der Balken gleichfalls eine Rolle.
Bill kletterte wieder herunter, nahm das Seil am unteren Ende des Flaschenzugs und legte eine Schlinge um fünf der Holzklötze, die er in der Mitte der Last befestigte, so daß der untere Kloben des Flaschenzugs sich etwa fünfzehn Zentimeter über dem Schlingenknoten befand. Dann befestigte er den oberen Teil des Flaschenzugs mit einem Extraseil am Tragbalken und warf noch einmal das lange Zugseil, das in die Rollen des Flaschenzugs lief, über den Dachbalken.
Die Menge hatte sich beruhigt und beobachtete stumm und fasziniert Bills Tun. Aus dem Augenwinkel heraus sah Bill, daß auch Flachfinger ihn beobachtete.
„Nun“, sagte er, als er fertig war, „jetzt wollen wir mal sehen, ob ich diese fünf Holzklötze heben kann.“
Er packte fest zu und zog an dem Seil, das über dem Dachbalken zum Flaschenzug lief. Das Seil ächzte und bewegte sich. Die hölzernen Rollen des Flaschenzugs ächzten und quietschten ebenfalls unter der Anstrengung. Das Seil vom Flaschenzug bewegte sich ruckartig durch seine Hände, aber die fünf Holzklötze schienen sich nicht zu bewegen.
„Du mußt dich schon mehr anstrengen, Shorty!“ schrie eine Stimme aus der Menge, gefolgt von Gelächter. Aber plötzlich erstarb das Gelächter, denn nun konnten alle, die zuschauten, sehen, wie sich das Bündel zusammengebundener Holzklötze bewegte und hob, bis es sichtbar einen oder zwei Zentimeter über den darunterliegenden Holzklötzen in der Luft schwebte.
Staunendes und beifälliges Murmeln war aus der Menge zu hören. Bill ließ die Klötze in der Luft hängen, gehalten von der Bremse im Flaschenzug, die das Seil daran hinderte, wieder rückwärts zu laufen, wischte sich die Hände ab und ging zum Bergläufer. Die Zuschauer wurden sogleich wieder still, um zu hören, was gesprochen wurde.
„Was denkst du, Bergläufer?“ fragte Bill in beiläufigem Ton. „Könnte ein Mann von der Größe Flachfingers dieses Bündel heben?“
Der Bergläufer musterte nachdenklich die fünf Holzklötze. „Ja“, antwortete er schließlich. „Ich glaube, er könnte es, Hacke-und-Schaufel.“
„Nun, dann werde ich wohl noch etwas mehr darauflegen müssen“, sagte Bill, ging zurück und ließ das Bündel herab. Er löste den Knoten, wuchtete einen weiteren Balken auf das Bündel, befestigte die Schlinge und machte sich daran, die Last erneut hochzuziehen. Dann ging er zum Bergläufer zurück.
„Was denkst du jetzt, Bergläufer?“ fragte er. „Glaubst du, daß Flachfinger soviel heben könnte?“ Er sprach ganz unbekümmert, hatte dabei aber ein ungemütliches Gefühl im Nacken, weil er wußte, daß Flachfinger keine zwei Meter hinter ihm stand und alles genau verfolgte. Der Bergläufer ließ sich jedoch durch die Nähe des Schmiedes nicht stören, sondern nahm sich seine Zeit, bevor er nach gründlicher Musterung des Bündels antwortete:
„Wenn du meine Meinung wissen willst, Hacke-und-Schaufel“, sagte er schließlich, „ich glaube, der Schmied könnte soviel heben und – sagen wir, noch zwei weitere Balken.“
„Würdest du sagen, daß er soviel und noch drei weitere Balken heben könnte?“ fragte Bill.
Der Läufer überlegte. „Nun“, erwiderte er nach einer Weile, „da müßte ich wohl nein sagen. Ich glaube nicht, daß er das könnte.“
„Angenommen, ich lege noch vier Klötze auf diesen Haufen“, fuhr Bill fort. „Dann wärst du ziemlich sicher, daß er soviel nicht mehr heben könnte?“
„Da wäre ich ganz sicher“, antwortete der Läufer prompt.
„Nun, dann werde ich noch vier weitere Klötze drauflegen“, erklärte Bill, ging zu dem Bündel zurück und tat es.
Als er das Zugseil packte und sein ganzes Gewicht hineinlegte, beschlich ihn zum ersten Mal Unsicherheit. Am anderen Ende befand sich jetzt über eine halbe Tonne Eigengewicht. Der Flaschenzug mochte zwar imstande sein, es zu heben – die Frage war nur, würde es auch ihm gelingen? Auf seinen ersten Zug hin schien sich die Last nicht im geringsten bewegen zu wollen. Dann dachte Bill an die Wut, die ihn erfüllt hatte, als er sich von Mula-ay entführt im Wald wiederfand. Er biß die Zähne zusammen und zog.
Zunächst geschah gar nichts, eine quälende Sekunde lang. Aber dann gab das Seil nach, erst ein wenig, dann noch etwas, und
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