der Agentenschreck
doch nicht tatenlos warten...«
Sie sah Tsanko an. »Ihre Widerstandsgruppe ist in der Nähe? Dürfte ich mit den Leuten reden?«
Tsanko sah sie überrascht an. »Sie erstaunen mich immer wieder, Amerikanski. Ja, sie sind im Nebenzimmer. Sie erwarten heute abend meinen Bericht über die Pässe.«
»Ich habe ihnen einen Vorschlag zu machen. Sie erwähnten früher eine Nervenklinik in Sofia.«
»Das Panchevsky-Institut, ja.«
»Sie sagten, daß zur Zeit mehrere Ihrer Freunde dort festgehalten werden. Zufällig nehme ich an, daß auch Philip dort ist. Damit haben wir ein gemeinsames Interesse an diesem Gefängnis, nicht wahr? Und Sie verfügen über eine Widerstandsgruppe.«
Tsanko blieb der Mund offen. »Meine liebe Amerikanski, wenn Sie meinen, was ich denke, daß Sie meinen —«
»Dazu kommt auch noch der politische Faktor«, fuhr sie entschlossen fort. »Sie sind gegen General Ignatov — das haben Sie selbst gesagt. Gelingt es ihm aber, das Lösegeld zu kassieren und Phil zu ermorden, dann ist er nicht mehr aufzuhalten. Stimmt das?«
Tsanko runzelte die buschigen Augenbrauen. »Sie erstaunen mich schon wieder, Amerikanski!«
»Er scheint Sie zu verstehen, Mrs. Pollifax, aber ich begreife kein Wort«, sagte Debby.
»Wovon reden Sie denn?«
Sie gaben ihr keine Antwort. Gewaltsam riß Tsanko den Blick von Mrs. Pollifax. »Sehen Sie sich meinen ›Untergrund‹ lieber an, ehe Sie falsche Hoffnungen nähren«, bemerkte er trocken, stand auf und ging hinter den Heizkessel. Dort öffnete er eine kleine Stahltür und führte sie in einen Raum, der mit seinem Gewirr von Rohren an den Wänden an den Heizraum eines Schiffes erinnerte.
Vier Menschen wandten sich ihnen erstaunt zu. Da war Kosta, den sie in Tarnovo kennengelernt hatten, und Georgi, der sie hergebracht hatte. Die beiden anderen Männer waren ungefähr so alt wie Tsanko. »Ist das alles?« fragte Mrs. Pollifax verblüfft.
»Wir sind bloß Amateure — besorgte Staatsbürger«, erläuterte Tsanko. »Militante Revolutionäre waren wir nie. Wir konnten es nur einfach nicht länger mitansehen, daß unschuldige Freunde bedroht, mißverstanden und eingesperrt werden. Darf ich Sie bekannt machen? Die Familiennamen darf ich verschweigen, bitte. Da ist einmal mein alter Freund Volko.«
Volko erhob sich und sah sie strahlend an. Er war ein auffallend großer Mann mit einer Figur wie eine Birne: Die schmalen Schultern fielen zu einem vorspringenden Bäuchlein ab, über das sich eine goldene Uhrkette spannte. Seit ihrer Kindheit hatte sie niemand mehr in dieser Aufmachung gesehen.
Damals kleideten sich Bankdirektoren und Leichenbestatter auf diese Art. Er sah ungemein korrekt und würdevoll aus, aber das zynische Funkeln seiner schwarzen Augen ließ eine Neigung zu geistigen Bocksprüngen vermuten. »Es ist mir eine große Ehre«, sagte er und knallte bei seiner Verbeugung beinahe die Haken zusammen.
»Volko ist der Unternehmer unserer Gruppe«, erläuterte Tsanko ernsthaft. »Dieses Magazin gehört ihm.«
»Volko«, murmelte sie, lächelte ihn an und gab ihm die Hand.
»Und das ist Boris.«
»Boris! Der Mann, der Shipkov auf der Straße warnte?«
Boris erhob sich schwerfällig. Er sah aus, als litte er unter chronischer Übermüdung. Beim Stehen machte er einen Buckel, als hätte er seine letzten Kraftreserven verbraucht. Sein Gesicht war hämisch. Bei ihrem erfreuten Ausruf wich er zurück wie vor einem kräftigen Windstoß. Sein Händedruck jedoch war erstaunlich kräftig.
»Kosta kennen Sie bereits«, schloß Tsanko. »Er ist seit vielen Jahren mein Chauffeur.«
Falls er eine Bemerkung über die Winzigkeit seiner Gruppe erwartet hatte, wurde er enttäuscht.
Mrs. Pollifax staunte viel mehr darüber, daß Tsanko in einem kommunistischen Staat über einen Privatchauffeur verfügte.
»Heia«, lächelte Debby Kosta an.
»Sprechen Sie alle englisch?« fragte Mrs. Pollifax.
»Bis auf Kosta.«
»Dann würden vielleicht Sie ihnen erklären, was ich Ihnen eben vorgeschlagen habe?«
»Was haben Sie eigentlich vorgeschlagen?« fragte Tsanko.
Sie hatten sich inzwischen wieder gesetzt. Alle sahen sie gespannt an. Das ist etwas anderes als eine Ansprache vor dem Gartenklub daheim, dachte Mrs. Pollifax. Nervös räusperte sie sich. »Ich habe eine Idee, aber sie ist gefährlich«, erklärte sie offen. »Ich habe Ihnen aus Amerika acht Pässe gebracht, die Sie nicht verwenden können, weil man Ihre Freunde ins Panchevsky-Institut verschleppt hat. Außerdem
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