Der Algebraist
hatte
ihn vorführen lassen. Wieeinen Angeklagten!
Er zog Konferenzschaltungen oder Holo-Meetings bei weitem vor. Sie
waren im Allgemeinen kürzer (wenn auch nicht immer – wenn
alle Beteiligten sich in ihrer jeweiligen Umgebung wirklich wohl
fühlten, konnten auch sie ewig dauern), und sie waren leichter
zu leiten – und im Grunde auch leichter zu beenden. Aber in der
Welt der Konferenzen gab es offenbar eine bestimmte Verteilungskurve:
am unteren Ende einer Organisationshierarchie setzte man sich oft und
gern zusammen – häufig nur deshalb, wie Saluus schon lange
vermutete, weil man sonst nichts Vernünftiges zu tun und
genügend Zeit hatte und weil man sich gern ein wenig wichtig
machte. In den mittleren und oberen Rängen wurden die
Holo-Meetings zahlreicher, sie waren zeitsparender, die Leute, die
man treffen wollte, standen etwa auf der gleichen Stufe wie man
selbst, auch ihre Zeit war knapp, und sie waren oft weit entfernt.
Doch auf den allerhöchsten Ebenen – und das war nicht ganz
logisch – stieg der Prozentsatz an persönlichen Konferenzen
allmählich wieder an.
Vielleicht war das ein Zeichen dafür, wie gut man gelernt
hatte zu delegieren. Vielleicht konnte man auf diese Weise den
mittleren und gehobenen Rängen unterhalb von einem selbst den
eigenen Willen besser aufzwingen. Oder die Themen, die bei solchen
Konferenzen auf höchster Ebene besprochen wurden, waren so
wichtig, dass man auch noch die letzte physische Nuance
ausnützen wollte, die eine Holo-Präsenz vielleicht nicht
liefern konnte, um wirklich alle relevanten Informationen zur
Verfügung zu haben. Einschließlich der Beobachtung, ob
jemand schwitzte oder einen nervösen Tick hatte.
Natürlich wäre so etwas auch bei einem guten Holo zu
sehen, andererseits ließen sich diese kleinen Schwächen
ausmerzen, wenn man die Übertragung über eine Kamera mit
einem guten Bildbearbeitungssystem laufen ließ. Theoretisch
konnte jemand bei einer Konferenzschaltung Ströme von
Schweiß vergießen und zucken, als säße er auf
dem elektrischen Stuhl, aber nach einer vernünftigen, in
Echtzeit arbeitenden Bildbearbeitung so wirken wie die
sprichwörtliche Ruhe selbst.
Wobei man auch in der Realität so manches kaschieren konnte.
Saluus’ Vater hatte für seinen Sohn zum dreizehnten
Geburtstag eine Überraschungsparty ausgerichtet und ihm
anschließend ein Überraschungsgeschenk gemacht, einen
Aufenthalt in einer Perfektionierungsklinik. Dort hatte man ihm im
Laufe eines langen und keineswegs schmerzfreien Monats die Zähne
verschönert, die Augen vergrößert und deren Farbe
verändert. (Saluus’ Aussehen war zwar schon im Mutterleib
nach den Wünschen seiner Eltern festgelegt worden, aber als
Vater hatte man doch wohl das Recht, seine Meinung zu ändern.)
Wichtiger war, dass man ihm seine Zappeligkeit genommen, seine
Konzentrationsfähigkeit erhöht und ihn darauf konditioniert
hatte, seine Schweißdrüsen, seine Pheromonabgabe und die
galvanische Hautreaktion zu kontrollieren. (Letzteres war streng
genommen nicht legal, aber die Klinik gehörte schließlich
einer Tochtergesellschaft von Kehar Heavy Industries?) All das
verschaffte ihm einen Vorteil bei Konferenzen, Diskussionen und sogar
bei zwanglosen Treffen. Und es ließ sich auch in die Kunst der
Verführung einbauen, wenn man selbst als Erbe eines ungeheuren
Vermögens nicht den gewünschten Erfolg erzielte.
Zusammengetreten war der Krisenstab des Kriegskabinetts, lauter
hochrangige Würdenträger, die sich in einem kilometertief
gelegenen Kommandobunkerkomplex unter einer Hand voll diskret
bewachter Villen in den Außenbezirken von Borquille versammelt
hatten.
Ein Treffen auf höchster Ebene, nur der Hierchon Ormilla
fehlte. Er war sich wohl zu gut dafür, an einer einfachen
Konferenz teilzunehmen, auch wenn sie von einer so bedeutenden
Organisation wie dem Krisenstab des Kriegskabinetts einberufen wurde
und das System in noch größerer Gefahr war als vor der
katastrophalen Entscheidung, in Scharen in Nasquerons Atmosphäre
einzufallen, sobald man glaubte, eine sichere Spur zu der
Dweller-Liste zu haben – die wahrscheinlich ohnehin nur ein
Mythos war.
Wieso konnte er eigentlich bei Konferenzen nie bei der Sache
bleiben? Wieso schweiften seine Gedanken immer in eine – ganz
bestimmte – Richtung ab, in Richtung Sex?
Wenn Saluus sich die Frauen ansah, die mit ihm in den Konferenzen
saßen, fiel es ihm schwer, sie sich nicht nackt vorzustellen.
Das passierte ihm schon bei eher
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