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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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unversehrten Schott
ragten. Sie lag auf dem Bauch, ihr Kopf, ein Bein und ein Arm hingen
über dem Abgrund. Die Leuchtstreifen an ihren Ärmeln
spendeten ein fahles, grünlich blaues Licht. Die abgebrochenen
Enden der beiden Stoßzahngebilde endeten nur wenige Zentimeter
neben ihrem Körper. Auf einer Seite ragten in Abständen von
acht bis neun Metern weitere Stoßzahnpaare wie Knochenfinger
aus dem Schott ins Leere. Der Abgrund unter ihr war
schätzungsweise fünfzig oder sechzig Meter tief, und unten
warteten die Kühlflossen mit ihren scharfen Kanten.
    Der menschliche Verstand hatte sich erst an Welten wie
’glantine gewöhnen müssen, wo die Schwerkraft geringer
war und man nach einem Sturz, bei dem man sich auf der Erde beide
Beine gebrochen hätte, noch unversehrt aufstehen konnte. Aber
wenn die Fallhöhe und damit die Beschleunigung groß genug
war, blieb ein Körper nach einem Sturz aus sechzig Metern hier
ebenso schwer verletzt oder gar tot liegen wie nach einem
Dreißig-Meter-Sturz auf der Erde.
    »Haben wir ein Seil?«, fragte Taince.
    Sal schüttelte den Kopf. »Oh Gott, was für eine
verdammte Scheiße. Nein. Doch, ja, aber ich habe es dort hinten
gelassen.« Er wies mit einem Nicken zum Schiffsinneren hin. Ein
Schauer überlief ihn, er schlang die Arme um seinen Körper,
dann schlug er den Kragen seiner Jacke hoch, als wäre ihm kalt.
»K-konnte den Knoten nicht wieder aufkriegen.«
    »Verdammt! Sie bewegt sich«, sagte Taince, steckte den
Kopf wieder in das Loch und rief: »Ilen! Ilen, du musst still
liegen! Kannst du mich hören? Nicht bewegen! Sag nur, ob du mich
hören kannst!«
    Ilen drehte schwach den Kopf, der Arm, der über den Abgrund
hing, zitterte ein wenig. Sie schien sich auf den Rücken drehen
zu wollen, rutschte aber nur noch näher an den Abgrund
heran.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße«,
stöhnte Sal. Seine Stimme klang schrill und gepresst. »Sie
war hinter mir. Ich dachte, es ist alles okay. Es muss eine Luke
gewesen sein. Ich habe nichts gesehen, bin wohl drübergestiegen.
Vielleicht lag sie auch nur lose auf, und Len hat sie durchgetreten.
Sie hat nach mir gerufen.
    Ich sah sie noch schwanken. Sie wollte mit einer Hand das
Gleichgewicht halten, dann hat sie aufgeschrien und ist
hineingestürzt. Ich war zu weit weg, konnte sie nicht mehr
erreichen. Wir haben nichts weiter gemacht und nicht einmal etwas
gefunden! Nur Schrott! Verdammte Scheiße! Es war doch alles in
Ordnung! Sie war dicht hinter mir!«
    »Still jetzt«, sagte Taince. Sal lehnte sich zurück
und wischte sich den Mund ab. Er zitterte. Taince steckte die Pistole
wieder ein, klebte sich einen Leuchtstreifen auf die Stirn, hielt
sich mit beiden Händen an den Seiten des Dreiecks fest und
steckte den Kopf tiefer in das Loch als zuvor. Dann stemmte sie sich
noch einmal hoch und schaute zu Fassin zurück. »Halt mich
an den Füßen fest.«
    Fassin gehorchte. Taince ließ sich bis über die
Schultern in das Loch sinken, mahnte noch einmal: »Ilen! Du musst ganz still liegen!«, und stemmte sich kurz wieder
hoch. Der Leuchtstreifen auf ihrer Stirn brannte wie ein unheimliches
Auge. »Da unten gibt es nichts, woran man sich festhalten
könnte«, sagte sie. »Sie rutscht hin und her. Hat sich
wohl den Kopf angeschlagen. Sie wird weiter abstürzen.« Sie
sah Sal an. »Sal, wie weit ist es bis zu diesem Seil?
Zeitangabe!«
    »Scheiße! Keine Ahnung! Zehn, fünfzehn Minuten
vielleicht?«
    Taince schaute wieder in das Loch. »Verdammt«, sagte sie
leise. »Ilen!«, rief sie dann. »Du musst still
liegen! «Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich rufe,
bewegt sie sich erst recht«, sagte sie wie zu sich selbst. Sie
holte tief Luft und wandte sich an Saluus und Fassin. »Okay. Wir
machen Folgendes«, sagte sie. »Wir holen sie mit einer
Menschenkette heraus. Wir haben das schon geübt. Es ist
machbar.«
    »Gut«, sagte Sal und richtete sich auf. Im trüben
Licht war sein Gesicht totenbleich. »Was müssen wir
tun?«
    »Einer hält sich oben fest, ein Zweiter klettert an
seinem Körper hinunter und hängt sich an seine
Füße, der Letzte klettert an beiden vorbei und holt Ilen.
Das mache ich.«
    Sal riss erschrocken die Augen auf. »Aber ganz
oben…«
    »Bist du. Du bist der Kräftigste von uns. Auf der Erde
wäre es nicht möglich; hier schon«, erklärte
Taince. Sie rutschte zu Sal hinüber und griff nach seinem
Rucksack. »Ich habe schon Ketten mit vier Gliedern gesehen. Ihr
zwei seid doch ganz gut in Form. Fass, du bist in der Mitte.

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