Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Haus habe? Ich habe viel vor diesen Sommer.«
»Mach ich gleich heute Nachmittag«, versprach Meredith, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Sie verbrachten den Vormittag im Salon und erledigten, was erledigt werden musste. Gegen Mittag schlug Sam vor, irgendwo Essen zu gehen.
»Ich glaube, wir könnten mal eine Pause gebrauchen«, sagte er.
»Du meinst, ich könnte mal eine Pause gebrauchen«, entgegnete Meredith.
»Wir beide .«
Sie sah ihn skeptisch an. »Ich muss aber zum Markt.«
»Wozu?«
»Kann ich dir nicht sagen.«
»Warum?«
Sie sah ihn nur an. Wollte es nicht zugeben. Wusste, dass er es wusste. Wusste, dass es lächerlich war.
»Oh , Merde. Das meinst du doch hoffentlich nicht ernst! «
»Doch.«
»Sie kommt aber nicht dieses Wochenende nach Hause«, sagte Sam. »Lass uns mit deinen Eltern zum letzten Saisonspiel gehen und uns auf altmodische Weise an sie erinnern.«
»Ich habe e s ihr aber versprochen«, insistierte Meredith mit einem kleinen Schulterzucken und einem halben Lächeln. Was bleibt mir anderes übrig, hieß dieses Lächeln. »Wenn ich Olivenöl, Essig und Pasta für sie kaufe, hört sie vielleicht auf, von ihrer Rückkehr zu sprechen. Dann kann ich wenigstens etwas vorweisen.«
»Ich komme mit«, erklärte Sam und schnappte sich seine Jacke. »Wir können auf dem Markt zu Mittag essen. Und ein bisschen einkaufen. Ist doch mal was anderes.«
»Brauchst du nicht«, wehrte Meredith ab. »Ich komme schon klar. Ich muss ja sowieso einkaufen, weil meine Eltern dieses Wochenende kommen. Kein Problem. Ich … ich muss es nur einfach tun. Und zwar alleine.«
»Ich liebe dich, weißt du das?«
»Ja, das weiß ich«, antwortete sie. »Ich liebe dich auch.«
Ende September neigt sich in Seattle die Touristensaison ihrem Ende zu, was leider auch für das gute Wetter gilt. An diesem Tag war es klar und immer noch warm in der Sonne, aber Meredith trug ein Sweatshirt und eine Fleecejacke und zog auf dem Fußmarsch ins Zentrum nur eine der beiden Schichten aus. Hinter dem stark befahrenen Viadukt lag das letzte aus Alaska zurückgekehrte Kreuzfahrtschiff im Hafen und ließ die Hotels und Docks und Piers in seiner Umgebung winzig aussehen, ein horizontaler Wolkenkratzer, der darauf wartete, wieder auszulaufen. Die Händler auf dem Markt hatten blutrote Dahliensträuße, dunkelgrüne Gemüsesorten wie Spinat und Brokkoli und Äpfel im Angebot. Es war voll, und Meredith wich auf das Kopfsteinpflaster der Straße aus, statt durchs Innere der Markthallen oder auf dem Gehweg entlangzugehen. Sie schlängelte sich an Spaziergängern und letzten Touristen vorbei, die Fotos der Starbucks-Filiale machten und T-Shirts an Ständern begutachteten, und hatte dabei den Kopf gesenkt, bemüht, nicht über ihr Vorhaben nachzudenken. Natürlich glaubte sie nicht wirklich daran, dass ihre Großmutter an diesem Wochenende nach Hause kommen würde, aber ihr Versprechen wollte sie trotzdem nicht brechen. Außerdem: Hundertprozentig sicher, dass sie nicht doch auftauchte, war sie sich nicht. War es wahrscheinlich, dass sie auftauchte? Nein. Bestand die allerentfernteste Chance? Wer wusste das noch?
Zur selben Zeit mietete Herb Lindquist einen Ford Mustang bei Hertz an der Ecke Eighth Avenue und Pike Street. Er besaß selbst einen Ford Mustang, ein weißes GT Cabriolet von 1966 mit roten Sitzen, aber seine Tochter ließ ihn nicht mehr damit fahren, weil sie behauptete, das sei zu gefährlich. Nicht das Auto, sondern Herbs Fahrweise. Monatelang hatte sie um den heißen Brei herumgeredet, offenbar aus Rücksicht auf seine Gefühle, aber als sie das Thema dann doch auf den Tisch gebracht hatte, waren ihr seine Gefühle herzlich egal gewesen. Er hatte sich natürlich geweigert, das Auto herzugeben. Erstens war es sein Auto, und zweitens war er es nicht gewöhnt, Befehle von seiner Tochter entgegenzunehmen. Zunächst hatten sie ganz ruhig diskutiert und dann etwas lauter, bis sie sich schließlich angeschrien hatten. Daraufhin hatte ihn seine Tochter mit Herablassung gestraft (»Wir sind alle total stolz auf dich, Vater, weil du noch weitgehend alleine zurechtkommst «), was bei Weitem das Schlimmste gewesen war . Dann hatte sie wortlos seinen Autoschlüssel an sich genommen, war zum Schlüsselbrett im Flur gegangen, um seinen Zweitschlüssel zu holen, hatte beide eingesteckt, ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben und das Haus verlassen. Er hatte immer noch wie vor den Kopf gestoßen am Küchentisch gesessen,
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