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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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mache, weil ich gleichzeitig lebe und sterbe. Da kann ich nicht auch noch Muttermilch gebrauchen.« Wenn es funktioniert hätte, hätte Noel alles dafür gegeben, es auch zu probieren, das wusste Josh. Aber Noel hatte nichts mehr zu geben.
    »Ich sehe beschissen aus.« Noel betrachtete sich im kleineren Fenster seiner Chatmaske. »Meine Mutter kommt mich morgen besuchen. Sie erschreckt sich ja zu Tode, wenn ich so aussehe.«
    »Dann rede mit den Ärzten, damit sie dir EPO spritzen oder so was«, schlug Josh vor, wie er es zu Noels Lebzeiten oft getan hatte.
    »Ach, die verschreiben mir nur wieder Antidepressiva.« Noel hatte recht. Genau das ha tten seine Ärzte getan. »Und die wirken bei mir nicht, weil ich nicht klinisch depressiv bin. Ich habe Krebs. Das ist nun mal deprimierend.«
    »Allerdings, mein Freund.« Auch beim zweiten Mal wusste Josh nicht, was er sonst sagen sollte.
    »Aber du siehst wirklich gut aus «, sa gte Noel. »Du machst mir Hoffnung. Das ist das Wichtigste.«
    Fast alle im Salon Anwesenden blickten von ihren Projektionen auf, um Josh mitleidig zuzulächeln. Ihnen war klar, dass Noel nur ein Mantra aufsagte, das sie alle kannten: Nichts ist wichtiger als die Hoffnung. Josh fielen auf Anhieb ein paar Dinge ein, die noch wichtiger waren, zum Beispiel, einen Grund für diese Hoffnung zu haben.
    »Sieh zu, dass du schnell auf andere Gedanken kommst«, sagte er zu Noel. »Du willst doch deiner Mutter keine Angst machen. Wir sprechen uns bald wieder. Tut mir wirklich leid, dass es dir so schlecht geht.«
    »Schon okay«, antwortete Noel . »Du hast es ja nur gut gemeint. Ich vergebe dir.«
    Josh beendete den Video-Chat und ging zum Empfangstresen, um mit Sam zu reden.
    »Und? W ie ist es gelaufen?«, fragte ihn Sam. »Das erste Mal ist immer schwierig.«
    »Eigentlich ganz gut«, antwortete Josh. »Aber am S chluss ist etwas Seltsames passiert. Ich habe ihm gesagt, dass es mir leidtut, dass es ihm so schlecht geht, und er hat mir vergeben.«
    »Oh, Mist«, sagte Sam. »Ich dacht e, diesen Fehler hätte ich erfolgreich beseitigt. Tut mir leid. Das passiert hin und wieder.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Ich dac hte, ich hätte eine Lösung gefunden. Aber offenbar nicht. Wenn man der Projektion sagt, dass einem etwas leidtut, vergibt sie einem manchmal automatisch, auch wenn man sich eigentlich gar nicht bei ihr entschuldigen wollte. Irgendwie scheint das Programm auf Absolution gepolt zu sein.«
    »Ist doch eigentlich ganz nett«, sagte Josh.
    »Vielleicht ist die menschliche Sprache doch zu nuanciert für einen Computer«, erklärte Sam. » Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.«
    Meredith arbeitete an der Hindenburg, als Sam hereinkam. »Schlechten Tag gehabt?«, fragte er.
    »Wie kommst du darauf?« Sie zeichnete winzige Querstriche auf den Rahmen des Luftschiffs.
    »Nur so .«
    »Davids Kunden schaffen es noch irgendwann, dass mir der Kopf platzt«, sagte Meredith.
    »Dachte ich mir schon.«
    »Das meine ich ernst«, fügte sie hinzu , was nicht nötig gewesen wäre, weil Sam das durchaus wusste. Die Projektionen von Davids Kunden sprachen über nichts anderes als das Sterben. Sie hatten Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten und besaßen elektronische Erinnerungen daran, krank zu sein, besorgniserregende Untersuchungsergebnisse zu bekommen und Behandlungen über sich ergehen lassen zu müssen, die schlimmer waren als ihre Krankheit selbst – und zwar viele Erinnerungen. Sie hatten sich in Chat-Foren und Online-Selbsthilfegruppen getummelt, hatten Webseiten besucht, die ihnen Wunderheilung versprachen. Sie hatten Ärzte, die irgendwo auf der Welt einen Modellversuch durchführten, mit E-Mails bombardiert, hatten Freunde und Familienmitglieder, die über jeden Atemzug informiert werden wollten, und derartige Informationen ließen sich nun einmal besser elektronisch übermitteln als persönlich, zumal ihre weiter weg wohnenden Verwandten sie jeden Tag auf dem Computerbildschirm sehen wollten. Kurz: Während ihre Leben dahinschwanden, wurde ihr elektronisches Archiv immer größer. Je weniger Lebenszeit ihnen blieb, desto eifriger dokumentierten sie sie. Das elektronische Gedächtnis dieser Menschen platzte aus allen Nähten. Und es bestand haupt sächlich aus Leid und Elend.
    Sam ging zum Schrank und holte Farbdosen.
    »Was machst du?«
    »Ich helfe dir beim Anmalen.«
    »Man benutzt aber keine Plakatfarbe für Modellflugzeuge. Außerdem war d ie Hindenburg nicht pink.«
    »Ich male ja

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