Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
streichen. Vielleicht ist es sogar langsam an der Zeit, in Rente zu gehen. Wir könnten öfter zusammen verreisen und nachmittags einfach mal faulenzen. Wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen. Alles Unnötige aus unserem Leben verbannen. Einfach nur zusammen sein, miteinander reden. Du könntest irgendwelche Kurse besuchen, und ich könnte zur Abwechslung mal für dich kochen. Wir haben schon lange keinen schönen Abend mehr miteinander verbracht. Das ist es, was ich mir wünsche. Das letzte Mal ist schon so lange her.«
»Da hast du recht«, stimmte ihm Edith zu.
»Fändest du das auch schön?«
»Natürlich.«
»Liebst du mich noch? Trotz allem?«
»Ja«, antwortete sie. »Trotz allem. Frohe Weihnachten, Bob.«
»Frohe Weihnachten, Liebling«, sagte er.
Nachdem Edith das Gespräch beendet hatte, blieb sie weinend auf ihrem Stuhl sitzen. Dash ging zu ihr und küsste sie auf den Mund.
»Was war das denn?«, fragte sie mit gespieltem Entsetzen, grinste aber entzückt, während ihre Wimperntusche sich endgültig davonmachte.
»Mistelzweig.« Er wies mit dem Kinn zur Decke und gratulierte ihr dann.
»Wozu?«, wollte sie wissen.
»Sie sind eine freie Frau.«
»Es fühlt sich aber nicht so an.«
»Das braucht seine Zeit.«
»Ich hab e ein Höllenjahr hinter mir«, stellte sie fest.
»Das nächste wird besser«, prophezeite er.
»Jetzt geht es nur noch bergauf«, stimmte ihm Edith zu. Dann kamen Muriel und Celia, um sie zu umarmen, während ihr Avery einfach nur ihre Jacke hinhielt.
»Was machen wir?«, fragte Edith.
»Ausgehen«, antwortete Avery. »Ich kenne mich mit dem Verlust von Ehemännern aus. Am besten helfen da Margaritas.«
L iebesbrief
Lieber Sam,
Fröhliche Weihnachten! Es kommt mir so schrecklich unfair vor, dass ich über die Feiertage nicht bei dir sein kann, unfair für uns beide, aber eigentlich ist es ja jetzt jeden Tag so, warum sollte Weihnachten da eine Ausnahme bilden? Ich habe viel an das letzte Weihnachtsfest gedacht. Meine Eltern waren sauer auf mich, meine Großmutter war nicht mehr bei uns und unsere bevorstehende Firmengründung hat mir eine Heidenangst eingejagt. Aber trotz dieser ganzen Sorgen war ich unendlich glücklich, mit dir zusammen zu sein. Das ist dein Verdienst: Du machst einfach alles andere nebensächlich. Genauso sollte die Liebe sein, finde ich. Das ist es, was Liebe bedeutet.
Ich weiß, dass du deine Zweifel hast, was RePrise angeht. Ich weiß, dass es nicht nur Gutes bewirkt. Aber wo wäre ich, wenn es RePrise nicht gäbe?
Ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich auch.
Merde
H eilige Nacht
Alle hatten schüchtern angefragt, ob der Salon auch an Heiligabend geöffnet sei. Sam war es egal. Er hatte sowieso nichts vor und hätte nicht gewusst, wo er sonst hingehen sollte, also konnte er den Abend genauso gut im Salon verbringen. Auch Dash schloss sich an.
»Ich brauche keinen Babysitter«, wehrte Sam ab. »Du kannst gerne zurück nach L. A. fliegen oder den Abend mit deiner Familie verbringen oder was auch immer.«
» Du bist meine Familie«, gab Dash zurück. »Das weißt du hoffentlich.«
»Aber es ist Weihn achten«, protestierte Sam. »Da willst du sicher lieber bei deinen Freunden oder deinen Eltern sein.«
»Will ich auch«, sagte Dash. »Aber noch lieber will ich bei dir sein. Es ist Weihnachten, und du bist meine Familie, Sam. So ist es nun mal.«
Sie waren alle eine große Familie, darin hatte Edith recht gehabt. Die Kunden hatten natürlich auch noch andere Familienmitglieder – Dash und Sam eigentlich auch –, die sie am ersten Weihnachtsfest nach dem Tod eines geliebten Menschen besonders dringend gebraucht hätten, a ber es fiel ihnen schwer, sich vom Salon loszureißen. Hier verstand sie jeder, hier waren ihre verstorbenen Angehörigen noch nicht ganz verschwunden. Dash hatte den ganzen Salon mit Stechpalmenzweigen, einem Weihnachtsbaum, Misteln und Lichtern geschmückt. Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezember kam Eduardo und kochte zusammen mit Miguel mexikanischen Pudding für alle Anwesenden. David brachte seine Gitarre mit und begleitete die anderen Kunden beim Singen von Weihnachtsliedern. Es gelang erstaunlich vielen Projektionen mitzusingen. Fast alle Kunden brachten Plätzchen oder Konfekt oder etwas anderes zum Knabbern mit. Penny hatte für sämtliche Kunden Gläser mit Kardamom-N üssen gefüllt und sie liebevoll beschriftet und dekoriert, was Wochen in Anspruch genommen haben musste. Manche Gläser waren
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