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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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vollständig aufhören zu lachen, dass man meinen könnte, sie hätte noch nie in ihrem Leben gelacht, was Sam wieder einmal bewusst machen würde, dass das, was er vor sich sah, alles war, nur nicht menschlich. Er versteckte seine Versuche vor Meredith, weil er sicher war, dass diese Computer-Livvie ihr lebenslange seelische Narben zufügen würde.
    »Vielen Dank übrigens«, schrieb sie eines Vormittags in der ersten Novemberwoche aus einem Meeting .
    » Immer gerne. Wofür?«
    »D afür, dass du an der Videofunktion arbeitest.«
    »Woher weißt du, dass ich an der Videofunktion arbeite?«
    »Weil ich dich kenne. Außerdem ka nnst du mir einfach nichts abschlagen.«
    »Kann ich wohl.«
    »Ich bin viel zu hübsch.«
    »So hübsch nun auch wieder nicht.«
    »Dein Argument ist also, dass ich zwar ganz hübsch, aber nicht so hübsch bin, dass du deshalb nicht in der Lage wärst, mir ein Computerprogramm zu verweigern?«
    »Mein Argument ist, dass du sogar sehr hübsch bist, aber immer noch nicht hübsch genug, um Tote wiederauferstehen zu lassen. Mach dir keine Hoffnungen, Merde«, warnte er. »Es funktioniert nicht mal ansatzweise.«
    »Ich vertraue dir. Du bist auch ziemlich hübsch.«
    » Leider hat hübsch nicht das Geringste damit zu tun.«
    »Und du hast Ahnung von Computern.«
    »Das hat zwar schon mehr damit zu tun, aber nicht genug.«
    »Ich liebe dein Superhirn, Sam. Und diverse andere Körperteile.«
    In diesem Moment vibrierte Sams Handy, weil eine SMS von Jamie hereinkam. » HÖRT AUF, WÄHREND MEETINGS MITEINANDER ZU FLIRTEN! «
    Zufälligerweise nahm Sams Vater ebenfalls gerade ein Freisemester, allerdings ein echtes, zu Forschungszwecken. Weil ihn sein Hopkins-Projekt, das ihm nicht die geringsten Freiheiten erlaubte, langweilte, ließ er sich bereitwillig von Sams Projekt ablenken. »Ich habe kein Freisemester , ich bin arbeitslos « , stellte Sam klar. »Und e s geht auch nicht um Wissenschaft, sondern um Liebe « , fügte er hinzu. »Ist doch dasselbe«, antwortete Sams Vater und ergänzte die spärlichen Puzzleteile, die Sam zusammengesucht hatte, mit Teilfunktionen anderer Programme: einer Animationsfunktion, damit die Video-Livvie menschlich und durchgehend wie Livvie aussah, einem Sprachgenerator, damit sie wie Livvie klang und nicht wie R2-D2 aus Star Wars , und einer Gesichtserkennungs-Software, damit sie wusste, mit wem sie sprach. Das Ergebnis war besser – weniger gruselig, menschlicher –, aber immer noch ziemlich ahnungslos. Man musste ihm erst alles beibringen.
    »Das sind grundlegende philosophische Fragen der künstliche n Intelligenz. Das ist Turing«, schwärmte Sams Vater. Alan Turing. 1912-1954. Sein Held. Vater der Informatik, Allroundgenie, Computergott. Als Sam ein Kind gewesen war, hatte eine Büste von Turing auf dem Klavier im Wohnzimmer gestanden. Einer der Studenten seines Vaters hatte sie angefertigt, ein junger Mann, der Kunst und – falls sich das nicht bezahlt machen sollte – Informatik studierte. Der Kopf war aus Gips, aber Augen, Nase, Lippen, Ohren, Augenbrauen, Haare, Kragen und Krawatte bestanden aus Computerschrott. Vor allem die Augen – zwei »I«-Tasten einer Tastatur – hatten dem siebenjährigen Sam furchtbare Angst eingejagt. Turings Argumentation zufolge konnte ein Computer, Roboter oder Avatar nur dann als intelligent betrachtet werden, wenn die Person, die sich mit ihm beschäftigte, nicht mehr genau sagen konnte, ob sie es mit einem Menschen oder einer Maschine zu tun hatte. Die Fragestellung des siebenjährigen Sam hatte gelautet: Was, wenn die Person sehr dumm ist oder ein kleines Kind? Turings Fragestellung hingegen lautete: Was, wenn man mit einem Computer anfängt, der nur so intelligent ist wie ein kleines Kind, und ihm dann alles beibringt, was er wissen soll – erlernte künstliche Intelligenz also, statt von Anfang an vorhandene. Erziehung statt Anlage.
    »Und was hat das mit Livvie zu tun?«, fragte Sam.
    »Bring ihr bei, was sie wissen muss«, antwortete sein Vater.
    Sam fütterte Livvie also mit Fotos, damit sie erkannte, wer wer war, wer was sagte und wo sich ihr Gegenüber befand. Er fütterte sie mit sämtliche n E-Mails, die sie seit ihrem Tod mit Meredith ausgetauscht hatte, damit sie auf dem neuesten Stand war. Auch alle E-Mails, die sie vor ihrem Tod geschrieben oder empfangen hatte, speiste er ein, damit sie eine Informationsgrundlage hatte. Und da kam Sam eine neue Idee. Na ja, eigentlich eine alte. Was Livvie brauchte, war

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