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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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Tochter hörte. Im Gegenteil, es war absolut typisch. Nur deshalb konnte es die Computer-Livvie überhaupt erwähn en. Kyle und Julia besaßen zwar Handys und einen Fernseher und einen Internetanschluss wie jeder andere Mensch auch, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen ignorierten sie ihre technischen Geräte manchmal wochenlang. Auch Meredith hatte die beiden seit der Beerdigung vor ein paar Monaten nicht mehr gesehen, aber an Thanksgiving hatten sie sich für ein langes Wochenende angekündigt. Meredith freute sich einerseits auf ihre Eltern, sah dem Besuch aber auch mit Sorge entgegen, weil sie sich dann vier Tage nicht mit ihrer Großmutter in Verbindung setzen konnte.
    Julia hatte abgenommen, aber sonst schien es ihr gut zu gehen. Kyle sah aus, wie er immer aussah, wenn er in der »großen Stadt« war: zu allem bereit, froh, sein Kind zu sehen, und seltsam deplatziert. Sie kamen am späten Donnerstagvormittag an, beladen mit verschiedenen Käsesorten von ihrer Insel, Süßkartoffeln und Kuchen. Meredith stand in der Küche und machte Suppe, Truthahn, Salat und Rote Bete, während sie sich redlich bemühte, das Gespräch von Sam und der Frage wegzusteuern, womit er eigentlich jetzt sein Geld verdiente. Doch das stellte sich als gar nicht so einfach heraus.
    »Was machst du eigentlich so in letzter Zeit, Sam?«, fragte Kyle jovial.
    »Musst du ihn das fragen?« Julia schlug Kyle mit einem Geschirrhandtuch auf den Hintern und fügte dann leise, aber nicht so leise, dass Sam es nicht mitbekommen hätte, hinzu: »Er ist doch arbeitslos.«
    Sam nahm es den beiden nicht krumm, auch wenn er nicht recht wusste, was er antworten sollte. »Vormittags jogge ich oft. Auf dem Waterfront Trail oder manchmal auch im Washington Park Arboretum. Da ist es wirklich schön. Außerdem habe ich kochen gelernt und stehe oft in der Küche. Fummle an der Wohnung herum. Und ich arbeite an … ein paar Projekten. Für einen Freund.« Den letzten Teil fügte er hinzu, damit Kyle dachte, er würde freiberuflich arbeiten und sei in der Lage, finanziell für seine Tochter zu sorgen, die ihm prompt einen warnenden Blick zuwarf. Auch er bekam nun Angst, dass ihre Eltern weiter nachhakten und Fragen stellten, die er nicht beantworten konnte.
    »Bist du auch wieder auf der Suche nach einer richtigen Arbeit?«, wollte Kyle wissen.
    »Hör auf damit!« Julia gab ihm noch einen Klaps. »Weißt du noch, als mein Vater dich an Thanksgiving mal gefragt hat, wann du endlich mit dem Kinderkram aufhörst und dir eine richtige Arbeit suchst?«
    Kyle lachte und sagte dann mit übertrieben tiefer Stimme: »Schwielen an den Händen sind nicht gerade männlich, wenn man sie sich beim Töpfern geholt hat.«
    Auch Julia verstellte nun ihre Stimme und polterte: »Wenn eine Frau sich der Kunst widmet, ist das in Ordnung – wir haben nie erwartet, dass du einmal arbeiten musst, Schätzchen –, aber Kyle muss endlich lernen, was es heißt, ein Mann zu sein.«
    Die beiden schienen Sams Anwesenheit völlig vergessen zu haben. Meredith suchte seinen Blick, verdrehte die Augen und wuselte dann weiter in der Küche herum. Sie hörte das alles nicht zum ersten Mal. Aber Sam, für den das alles neu war, fand sie ganz charmant, diese liebevollen und besorgten Eltern mit ihren eingespielten Dialogen, deren Neugier auf Sam sich mit der Sorge um ihre Tochter und ihren eigenen Erinnerungen vermischte. Eltern – das war etwas, was ihm immer gefehlt hatte, da er nur mit seinem Vater aufgewachsen war. Und ein Vater allein machte nun mal noch keine Eltern, also war das alles völliges Neuland für ihn.
    Als die doppelt gebackenen Kartoffeln nach dem ersten Backgang aus dem Ofen kamen, ging Meredith die Butter aus. Sie schickte Sam zum Lebensmittelgeschäft um die Ecke, das bis drei geöffnet hat. Der Himmel hatte vorübergehend aufgeklart, und während er so durch die nassen orangeroten Blätter und die schrägen Sonnenstrahlen stiefelte, spürte Sam plötzlich den Herbst und was es hieß, eine Familie zu haben. Es tat gut, an der frischen Luft zu sein und mal aus einer Küche herauszukommen, in der zu viele Köche vor sich hin werkelten, und aus einer Wohnung, die zu klein war für vier Erwachsene und zwei Hunde und Lebensmittel, mit denen man das ganze Gebäude hätte versorgen können. Gleichzeitig fühlte er sich von Heimweh und Sehnsucht überwältigt. Ein tolles Gefühl. Er schrieb Meredith eine SMS : »Deine Eltern sind echt süß. Müssen sie von dir

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