Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
als ausgelassene Freude ein und nicht als böse Vorahnung. Nicht als geeigneten Moment, um ihre Hand zu packen und die Flucht zu ergreifen.
N icht-Sam
»Ich will mich mit dir unterhalten «, bettelte Dash am nächsten Morgen.
»Tust du doch gerade«, antwortete Sam.
»Nicht mit dem ec hten Sam«, sagte Dash. »Mit Nicht-Sam. Mit dem toten Sam. Würde es etwas bringen, wenn ich deinen Kaffee vergiften würde?«
»Auf lange Sicht wohl eher nicht«, entgegnete Sam. »Zwischen uns beiden funktioniert es sowieso nicht.«
»Warum nicht? Wir können beide tonnenweise elektronische Kommunikation vorweisen.«
»Aber nicht miteinander.«
»Wir haben uns aber schon per Video-Chat unterhalten.«
»Nicht oft genug. Und nicht über genügend Themen«, erwiderte Sam, aber als sie drei Stunden später immer noch diskutierten, beschloss er, Dash zu zeigen, was er meinte. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, nahm Dash unbeholfen und nervös vor der Kamera seines Computers Platz, wählte den anderen Sam, den Sam aus dem Reich der Toten an und beobachtete, wie das Chat-Fenster aufging.
»Hey, Kumpel«, sagte Dash lässig.
»Hey, Dash«, antwortete Nicht-Sam und schien sich zu freuen, ihn zu sehen.
»Wie geht’s denn so?«
»Gut. Und dir?«
»Auch gut.«
»Willst du mit Meredith sprechen?«, fragte Nicht-Sam.
»Nein, Kumpel , mit dir.«
»Oje. Funktioniert dein WLAN schon wieder nicht? «
»Doch, alles gut«, antwortete Dash.
» Wir holen dich beim Abflugterminal ab statt beim Ankunftsterminal«, erklärte Nicht-Sam. »Da ist es abends um diese Zeit nicht mehr so voll.«
»Nein, ihr seid zu mir nach L. A. gekommen«, widersprach Dash.
»Dann se hen wir uns morgen früh an der Gepäckausgabe in L. A. «, sagte Nicht-Sam.
»Ich bin doch kein Reisebüro «, beschwerte sich Dash.
»Willst du mit Meredith sprechen ?«
Dash wandte sich von der Kamera ab, sah Sam an und verdrehte die Augen. »Nicht-Sam ist ein bisschen dämlich.«
»Nicht dämlich, nur beschränkt. Sprich du mal ein Thema an. Vielleicht tut er sich leichter, wenn ihr über etwas Konkretes redet.« Der echte Sam wusste aus erster Hand , dass Small Talk nicht gerade Nicht-Sams Stärke war.
»Weißt du, ich rufe eigentlich wegen … äh … hm … deinem Tamale-Rezept an «, lautete Dashs absurder Versuch. »Ich habe nämlich heute Abend Gäste und dachte, dass das ganz gut zum Rest des Menüs passen könnte.« Meredith bekam vor Lachen schon keine Luft mehr, während Sam nur ungläubig den Kopf schüttelte. Dash zuckte hilflos mit den Schultern. Auch ihm ging jetzt auf, dass es sinnvoll gewesen wäre, sich vorher ein Konzept zu machen. Unterdessen konnte Sam sehen, wie es in Nicht-Sams Kopf ratterte, beziehungsweise hören, wie es in seinem Laptop, der eine Armeslänge entfernt stand, arbeitete.
»Verarschst du mich etwa?«, fragte Nicht-Sam und grinste. Den echten Sam faszinierte und überrascht e, dass das Programm Dashs Versuch als Blödsinn erkannt hatte. Es ließ sich nicht beirren, sondern war sich sicher, dass es an der Nase herumgeführt wurde.
»Nein« , antwortete Dash. »Ich mein’s völlig ernst.«
»Aha«, sagte Nicht- Sam, bevor er hoffnungsfroh hinzufügte: »Willst du mit Meredith sprechen?« Er verschwand aus dem Kamerafenster, um sie zu rufen. Und kam nicht mehr zurück.
»Das lief ja großartig«, sagte Dash zum echten Sam.
»Weil du anscheinend nicht verstanden hast, worum es hier geht«, antwortete Sam. »D as Programm funktioniert, weil es dich und mich und das Verhältnis zwischen uns nachbildet. So, wie es immer ist.«
»So, wie es normalerweise ist«, korrigierte Dash.
»Es funkti oniert, weil ich normalerweise ich selbst bin und du normalerweise du selbst bist. Zusammen sind wir eigentlich immer gleich.«
»Nämlich langweilig?«
»Einem Muster folgend. Vorhersehbar.«
»Ich sag’s ja: langweilig.«
»Du findest also, dass wir interessanter wären, wenn wir Rezepte aus tauschen würden ?«
»Vielleicht.«
»Wenn du mich anrufst, teilst du mir mit, wann wir dich am Flughafen abholen sollen oder um wie viel Uhr du uns am Flughafe n abholst, oder du fragst, warum dein WLAN nicht funktioniert. Oder du willst mit Meredith reden. Und das war’s. Daraus besteht unsere gesamte bisherige Beziehung. Wenn du plötzlich anfängst, auf Cocina Mexicana zu machen, wird der Computer nicht schlau daraus. Dafür hat er keine Grundlage. Und deshalb funktioniert es nicht.«
»Muss es aber«, sagte Dash.
»Wie wär’s,
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