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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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gleichgültig.
    Ich hatte nie etwas anderes für die beiden empfunden als jenes dumpfe Gefühl, etwas würde nicht stimmen. Durchaus in der Art, wie Kinder überlegen, bei der Geburt vertauscht worden zu sein. Und daß darum die Fremdheit zwischen ihnen und ihren Eltern – und in der Folge die Abneigung – eine im Grunde natürliche ist.
    Ganz anders bei Astri. Sie hatte mit den Eltern eine Einheit gebildet, eine Dreiheit, auch und gerade mittels der ständigen Abenteuereien, der Mutproben und Wagnisse, die sie von klein an gepflegt hatte. Sie war nie ein braves Kind gewesen. Der experimentelle Typ. Aber nicht asozial. Keine, die Katzen von Brücken warf. Eher sprang sie selbst von Brücken, um zu sehen, was passierte. Die Mutter war viel in Sorge um ihre Tochter gewesen, der Vater oft nachgiebig, zudem stolz. Selbst ein begeisterter Kletterer – gleichwohl kein »Genie am Berg« –, hatte er große Genugtuung empfunden, als die erst Achtjährige ihn überflügelte. Und eben nicht nur ihn. Er sagte einmal: »Astri klettert, als sei das der Lebensraum, für den sie eigentlich geboren wurde.«
    Das stimmte. Auf ebener Erde hingegen wirkte ihr Gang unsicher. Unsicher und unglücklich.
    Als ich meinen ersten wirklich gut dotierten Vertrag erhielt und in der nagelneuen Limousine und im maßgeschneiderten Anzug vorfuhr, erkannte ich den abfälligen Blick meines Vaters. Für meine Mutter war es okay, weil meine finanzielle Absicherung sie beruhigte. Anders gesagt: Es war ihr lieber, ihr Sohn war Manager, als Junkie oder Hungerkünstler. Bei Vater aber war das anders. Nicht, daß er Junkies mochte, aber für ihn waren das die harmloseren Kriminellen.
    Sein abfälliger Blick würde ewig auf mir kleben bleiben. So wie auf Astri sein liebevoll stolzer. Gleich, wie lange ich lebte, und gleich, wie lange sie schon tot war.
    Astri war übrigens nicht nur eine Meisterin im Klettern, sondern auch im Fallen. Zwei Stürze vom Motorrad überstand sie ohne Kratzer, wie auch Stürze aus der Wand und beim Skifahren. Sie war sogar einer Lawine entgangen. Nur gegen diesen einen Blitz hatte sie nichts ausrichten können.
    Ich stellte mir immer wieder vor, wie zornig meine Eltern die Vorstellung machen mußte, daß im Zuge des einen Unwetters, der einen elektrischen Entladung, das eine geliebte Kind gestorben war, während das andere unter den Umständen einer ebensolchen Naturgewalt überlebt hatte. Das falsche Kind.
    Solche Dinge spricht man nicht aus, natürlich. Gedacht werden sie dennoch.
    Wobei ich Astri nie beneidet hatte, nie auf sie eifersüchtig gewesen war.
    Fragt sich allerdings, wie ich mein Bedürfnis nach Liebe gesättigt hatte. Denn ein solches besteht ja in der Regel. Ich war schließlich nicht als kleiner Roboter auf die Welt gekommen. – In der Tat war da jemand gewesen, dem ich in den Jahren meiner Kindheit mit Zuneigung begegnet war, so wie er mir. Ein Nachbar, der im letzten Stock wohnte und von dessen Wohnung aus Köln aussah, als würde es nur aus den Dachkammern armer Poeten bestehen. Ein Spitzweg-Köln. Wie auch der Bewohner dieser aussichtsreichen Wohnung ein Spitzweg-Mann gewesen war: ältlich, mit Brille, sehr hager, sehr lang. Ein warmherziger Mensch, zudem vornehm und würdevoll, auf eine leicht komische, aber nicht peinliche Weise. Peinlich waren die Leute im Fernsehen, nicht dieser Mann. Weil ich mir aber seinen richtigen Namen nicht merken konnte, polnisch oder russisch oder so, und weil mir sein Gesicht ob der Entfernung immer so klein erschien und ich zudem von einigen Indianergeschichten inspiriert war, nannte ich ihn bei mir Little Face .
    Bei ihm fühlte ich mich wohl. Mehr als bei den Kölner Großeltern, die sich zwar nicht ganz so lieblos wie meine Eltern verhielten, sich aber vor allem dadurch auszeichneten, keine Zeit zu haben. Selbst meine Eltern schienen im Vergleich dazu unterbeschäftigt.
    Meine Großeltern waren Leute von der Sorte, die immer nur Hilfe zur Selbsthilfe betrieben. Die also einem Ertrinkenden weder die Hand reichten noch zu ihm ins Wasser sprangen, sondern dem armen Kerl im raschen Vorbeigehen zuriefen: »Schwimmen Sie!« In ihren besten Momenten machten sie noch schnell Vorschläge über die geeignete Art, sich über Wasser zu halten.
    Ganz anders Little Face. Er hatte immer Zeit, und er war immer zu Hause. Wenn ich bei ihm anläutete, öffnete er und bat mich mit einer großzügigen Geste einzutreten. Er war wohl das, was man »alte Schule« nennt. In seiner mit

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