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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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(Relativ glücklos, denn immerhin muß gesagt werden, daß er das laienhafte Abfeuern einer Kugel überlebt hatte.)
    Jedenfalls meinte der Mann auf dem Sofa nun: »Es wäre wirklich besser, wir zwei würden ins Geschäft kommen.«
    »Besser für wen?«
    »Für uns beide.«
    »Inwiefern?«
    »Sie geben mir das Büchlein, und ich lasse Sie entkommen. Dann hätte ich zwar nur den halben Auftrag erfüllt, aber …«
    »Wieso entkommen lassen?« fragte Auden und bewegte sich wieder dorthin, wo die Waffe lag.
    »Denken Sie denn, es war daran gedacht, daß Sie diese Nacht überleben?«
    »Das ist ein Scherz, nicht wahr?« meinte Auden. »Sie sind doch kein Killer. Bücher klauen ja, eine Waffe dabei, na gut, sicherheitshalber – aber doch kein Killer.«
    »Nein, ich bin kein Killer. Aber wenn es der Auftrag erfordert, schalte ich Leute aus. Ungerne. Aber leider kann ich mir nicht aussuchen, wie genau ein Auftrag beschaffen ist. So frei bin ich nicht. Nur, weil man freischaffend ist, bestimmt man nicht eben den Gang der Dinge.«
    Doch Auden blieb ungläubig. »Daß jemand an die Formel will, das kann ich verstehen. Mich aber töten?«
    »Wären Sie jetzt tot, würden Sie mir glauben«, sagte der Mann. Und fügte an: »Nun, nachdem das heute schiefgegangen ist und Sie gewarnt sind, könnte man noch auf die Idee kommen, sich eine Person aus Ihrer Familie vorzunehmen. Haben Sie Kinder?«
    Schon wieder wurde ihm diese Frage gestellt. Und wieder sagte er »Nein«, obgleich das nicht wirklich der Wahrheit entsprach.
    »Gut für Sie«, meinte der müde Mann. »Die schwächste Stelle eines Menschen ist sein eigenes Kind. Kein Wunder, daß so selten die Ehefrauen der Reichen entführt werden und so oft deren Nachwuchs.«
    »Verschonen Sie mich«, sagte Auden.
    »Womit? Mit der Wahrheit?«
    »Gehen Sie einfach.«
    Der Mann stand auf. Es sah aus, als hätte er seit dem Mittelalter auf diesem Sofa gesessen. Man konnte seine Knochen hören. Den Klang einer alten Rüstung. Aus dem metallenen Mund dieses Manns drang nun ein letzter Versuch: »Geben Sie mir das Buch. Ich werde denen erzählen, ich hätte mich dagegen entschieden, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, und Sie statt dessen im Meer versenkt. Wenn Sie richtig verschwinden, für immer, kann ich das tun. Das ist der kleine Spielraum, den ich habe.«
    »Seit wann benutzen Leute, die sich umbringen wollen, einen Schalldämpfer?« zeigte Auden, daß er mitdachte.
    »Keine Angst, den hätte ich vorher abgeschraubt.« Und dann sagte der Mann: »Kaum zu glauben, daß Sie in so einem Moment den Klugscheißer geben.«
    Wobei Auden sogar noch eine weitere Spitzfindigkeit auf der Zunge lag, nämlich anzumerken, daß es doch wohl sinnvoll gewesen wäre, als erstes ihn, Auden, zu erschießen und erst danach im Kleiderschrank nach dem Buch zu suchen. Freilich hätte man ihm entgegnen können, daß eine Tötung sich immer erst dann anbot, wenn das Objekt, um das es ging, auch gefunden war. In diesem Fall das Angstbuch mit den KAI-Rezepten. Und noch was: Wäre er, Auden, auch nur Sekunden später – getrieben von einem unleserlichen Schriftzug in seinem Traum – erwacht, dann wäre alles seinen geplanten Weg gegangen. Und er wäre jetzt tot und bräuchte nicht zu zweifeln.
    Wie auch immer, Auden reagierte auf den Vorwurf der Klugscheißerei, indem er sagte: »Sie haben recht. Das war unnötig.« Beinahe hätte er sich erneut entschuldigt. Machte nun aber klar, daß er das Buch, sein Buch, nicht hergeben werde. »Es ist mein Leben.«
    Der Killer, der keiner war – an diesem Abend zumindest ganz sicher nicht –, räusperte sich und meinte abfällig, er habe schon gehört, daß manche Menschen ungeheuerliche Beziehungen zu ihren Büchern pflegten.
    »Ungeheuerlich? Denken Sie denn, das ist das richtige Wort?«
    »Ja«, sagte der Mann und öffnete die Tür. Im Rahmen blieb er noch einmal stehen und erkundigte sich mit einem fragenden Blick, ob es sich Auden nicht doch noch überlegen wollte.
    Auden Chen schüttelte den Kopf.
    Der andere schüttelte ihn ebenfalls und ging.

19
    Auden überlegte. Wieviel Zeit hatte er? Wieviel Zeit, um was zu unternehmen? Die Polizei zu benachrichtigen? Das Projektil aus der Wand zu kratzen? Ein nicht begangenes Verbrechen zu melden? Das hätte er eigentlich gleich zu Anfang tun müssen, als der andere noch im Zimmer gewesen war. Warum hatte er es unterlassen? Etwa aus Angst davor, erklären zu müssen, wieso er und nicht der andere geschossen hatte?

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