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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Rücken zu und steuerte die Küche an, in der Rose und Emily laut miteinander schwatzten.
    Ich wollte ihm folgen, aber Feely ergriff meinen Arm. Ich fragte mich, was man diese Leute in ihrer Kirche wohl lehrte, dass sie alle glaubten, es sei okay, mich anzutatschen.
    »Können wir in seiner Gegenwart reden?«, fragte er und wies mit einer ruckartigen Kopfbewegung in die Richtung meines Enkels. Auf seiner Stirn und seiner Oberlippe glänzten kleine Schweißperlen.
    Ich rieb meine Nasenwurzel mit zwei Fingern. »Norris, Sie und ich haben keine gemeinsamen Geheimnisse.«
    »Schon gut. Schon gut«, sagte er und warf nervöse Blicke zu Tequila hinüber, der an den Innenseiten seiner Wangen kaute und versuchte, sich das Lachen zu verkneifen.
    »Sie wissen doch wohl, warum diese Priesterratte hier rumschleicht, oder?«, fragte mich Feely. Er hatte seine Stimme so gesenkt, dass nur noch ein heiseres Raunen blieb.
    »Wahrscheinlich doch, weil Ihre Frau ihn eingeladen hat«, antwortete ich.
    »Wie ich Ihnen schon sagte, ist er hinter unserem Schatz her. Das ist jetzt der Beweis.«
    »Norris, es gibt keinen Schatz und auch kein ›unser‹.«
    Aber Norris schien mich nicht zu hören. Seine leuchtend rosa Wangen bebten vor Zorn. »Emily hat Jims Anteil geerbt, und daran gibt’s nichts zu deuteln. Wir müssen etwas wegen Lawrence Kind unternehmen.«
    »Jim hat keinen Anteil«, warf Tequila ein. »Er hat sich bestechen lassen und einem Kriegsverbrecher die Flucht ermöglicht.«
    »Sie haben’s ihm erzählt?« Feely schlug die Hand gegen die Stirn, dann setzte er ostentativ eine wutverzerrte Miene auf und bohrte mir seinen feisten Finger in die Brust. »Was auch immer er kriegt, das machst du aus deinem Anteil locker, Buck.«
    Ich blähte meine schlaffen Hängebacken zu einem inbrünstigsten Wutschnauben und stieß ebenfalls mit dem Finger zu.
    »Norris, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich bei dem Reverend entschuldigen und sich dann so benehmen, dass Sie Rose nicht diesen Abend verderben«, schärfte ich ihm ein. »Sie und Kind können sich darüber einigen, wie Sie Jims nicht existenten Anteil unter sich aufteilen, sobald Sie dazu die Zeit finden. Aber verschwenden Sie nicht noch mehr von meiner Zeit. Ich will mit Ihren wahnhaften Phantasien nicht das Geringste zu tun haben.«
    »Wenn das so ist, dann werde ich verdammt noch mal die Sache mit dem Mistkerl klären und mit Ihnen ebenfalls, sollten Sie mit ihm gemeinsame Sache machen wollen.« Feely drehte sich um und stapfte in Richtung der Küche davon.
    »Grandpa, du hast wirklich ein paar abgedrehte Freunde«, sagte Tequila.
    »Und du weißt nicht, wann du deine dämliche Klappe halten solltest«, sagte ich zu ihm.
    Soweit ich beurteilen konnte, blieben Rose die Spannungen zwischen Feely und Kind verborgen, und das Abendessen verlief wie unter zivilisierten Menschen zu erwarten. Die Gespräche allerdings zogen sich stockend und gequält in die Länge.
    Norris und Emily hatten einen Braten mit Soße beigesteuert. Ich fand ein Haar auf meiner Portion und aß natürlich nichts.
    Mit der Erklärung, dass alte Leute früh ins Bett gingen, schaffte ich alle um kurz vor neun aus dem Haus. Kaum waren die Gäste gegangen, bereitete ich mir ein Oscar-Mayer-Bologna-Sandwich auf Roggenbrot mit Senf und einer Portion Eisbergsalat. Ein wahres Festmahl.

9
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, verspürte ich eine gewisse Unruhe. Diese Malaise kannte ich sehr wohl. Es handelte sich um mein Cop-Frühwarnsystem, das leise grollende Knurren, das der Wachhundinstinkt als Echo durch mein Stammhirn schickte, um mich wissen zu lassen, dass jemand Übles hinter mir her war und vorhatte, Ärger zu machen. Rose hatte etwas in einem Psychologiebuch gelesen und mir erklärt, dass mein Unterbewusstsein Zusammenhänge zwischen Dingen wahrnahm, die ich bewusst noch nicht miteinander in Verbindung gebracht hatte. Ich hab mich um so’n Zeug nie groß gekümmert, aber es hörte sich so an, als sei da was dran.
    Seit dreißig Jahren hatte ich das Gefühl jedoch nicht mehr verspürt, und das versetzte mich in Angst. Es ging gar nicht speziell um Norris Feely oder Lawrence Kind oder Avram Silver; nein, mich beängstigten in erster Linie die Implikationen des Kribbelns an der Schädelbasis. Paranoia war eines der frühen Symptome von Altersdemenz.
    Ich nahm an, mit einem Marsch auf dem Laufband den Kopf frei zu bekommen. Aber irgendwo zwischen unserem Haus und dem Jewish Community Center erwachte mein Argwohn,

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