Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
nicht erklären, wie der riesige Spion hätte wissen sollen, dass der Besuchvon Kind mit Ziegler und dem Gold im Zusammenhang stand. Vielleicht hatte er uns jedoch mit einem extrem empfindlichen Mikrofon abgehört.
Norris Feely durfte ebenfalls in Betracht gezogen werden. Er schien nämlich durchaus Talent zur Boshaftigkeit zu besitzen, und die Feindschaft zwischen ihm und Kind war erbittert. Aber ich meinte Feely überzeugt zu haben, dass ich für ihn keine Reichtümer an Land ziehen würde, und ich hielt es für unwahrscheinlich, dass er bei einem Streit um Geld, das für beide unerreichbar war, in der Lage gewesen wäre, einen Mann zu entleiben.
Natürlich bestand immer die Möglichkeit, dass ein unbekannter und außenstehender Widersacher, von dem ich nichts wusste, dem Priester zu seinem unschönen Ableben verholfen hatte. Ich hatte den Mann ja nur oberflächlich gekannt, und wenngleich ich auf meinen Instinkt stolz war, konnte ich absolut nicht wissen, worin er verwickelt gewesen war.
»Was meinst du?«, fragte ich Tequila.
Er träufelte Sirup über seine Pfannkuchen. »Weiß nicht«, sagte er. »Ich glaube, Jesus hat ihn doch nicht gerettet.«
»Das ist überhaupt nicht komisch«, wies ich ihn zurecht. »Ich mochte Lawrence Kind auch nicht besonders, aber soweit ich es beurteilen kann, war er ein ganz anständiger Bursche. Oberflächlich vielleicht und irgendwie auch ein krummer Hund. Ganz bestimmt nicht so smart, wie er zu sein meinte. Doch was immer er getan haben mochte, Kind schien jedenfalls aufrichtig an das Produkt zu glauben, das er den Leuten verkaufen wollte. Und ich denke, ihm lagen seine Mitmenschen wirklich am Herzen.«
»Dass du einmal ein Loblied auf die Nächstenliebe singst, hätte ich nie erwartet.«
Ich verzog das Gesicht. »Ich mag meine Mitmenschen. Ich kann sie nur nicht ausstehen.«
»Na ja, ist ja auch inzwischen egal, was für einer er war«, sagte Tequila. »Jetzt ist er nur noch tot.«
Er sah mich lange durchdringend an, und ich erwiderte seinen Blick. Ich war mir nicht sicher, ob er von Kind sprach oder von Brian. Aber wir hatten ohnehin genug geredet.
Mit zwei schnellen Schnitten trennte Tequila ein keilförmiges Stück aus seinem Pfannkuchenstapel. Er spießte es entschlossen mit der Gabel auf und schob es sich in den Mund.
Was ich nicht vergessen will:
Auf einem der Beistelltische im Wohnzimmer steht ein Foto von mir mit Brian und Billy, allesamt in Pfadfinderuniform und im Pfadfinderlager an jenem Wochenende, als Billy in den »Pfeilsorden« aufgenommen wurde.
Dieser Orden besteht aus einer Elite von Pfadfindern und erwachsenen Führern, die von ihren Gruppen ausgewählt wurden und ein erniedrigendes Initiationsritual durchstehen mussten. Bei diesem sogenannten »Ordeal« verbrachten die Kandidaten ein Wochenende in Hardy, Arkansas, wo sie nur wenig zu essen bekamen und das Sommerlager in der Kia Kima Scout Reservation unentgeltlich abzubauen hatten, und zwar stumm, denn sie mussten ein Schweigegelöbnis abgeben. Abgeschlossen wurde das Ereignis mit einer Lagerfeuerzeremonie, bei der die jungen Arrow-Führer sich als Indianer verkleideten und die neuen Mitglieder feierlich willkommen hießen.
Die Arrowmen dürfen eine weiße Schärpe mit rotem Pfeil über ihrer Pfadfinderuniform tragen, und dazu wird ihnen ein »Pfeilsorden«-Aufnäher für die Klappen ihrer Hemdtaschen verliehen. Die Aufnäher sind die farbenprächtigsten, die es gibt, und deswegen ist die Mitgliedschaft im Orden heißbegehrt.
Als er Pfadfinder und ich Pfadfinderführer war, stellten Brian und ich uns 1964 gemeinsam dem »Ordeal«. Ich war bereits sechsundsiebzig, als Billy für den Orden ausgewählt wurde, und hatte den Abschnitt meines Lebens, an dem ich an Campingausflügen mit den Pfadfindern teilnahm, bereits ziemlich weit hinter mir, aber ich machte den Ausflug nach Kia Kima mit, um dabei zu sein, wenn mein Enkel sich dem »Ordeal« stellte.
Als die Kandidaten das Lager abbauten, stieß jemand auf ein Hornissennest und ein Schwarm dieser wütenden Mistviecher ging auf die Kids los.
Das halbe Gesicht angeschwollen und violett, das linke Auge fast davon verdeckt, tauchte Billy bei der Zeremonie auf. Einer der Anführer erzählte mir später, dass Billy nicht aufgeschrienhatte, als er gestochen wurde. Er nahm sein Schweigegelöbnis sehr ernst; ein sehr ernsthafter Junge und verdammt zäh dazu.
Das Foto hatte ihn in dieser Situation eingefangen, stolz auf sich, aber mit schmerzverzerrtem
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