Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
fleischigen Lippen. »Vielleicht haben Sie Recht«, sagte er. »Gehören Sie zu denjenigen, die eine Vorliebe für Gewalt haben?«
    Ich zuckte die Achseln. »Kaum etwas macht größeren Spaß, als einen Mann, der’s nicht besser verdient hat, mit Blei vollzupumpen. Und Sie? Gefällt Ihnen das Töten?«
    »Ich habe zu viel davon mitansehen müssen. Die Gewalt ist ein Monster, das sich immer wieder selbst gebiert, und es nährt sich vom Blut der Schuldigen ebenso wie von dem der Unschuldigen. Ich war in Afghanistan, als dort Krieg herrschte. Dann habe ich die Sowjetunion verlassen und ging zu Zeiten der palästinensischen Intifada nach Israel. Die Blutrünstigkeit unter den Arabern ist barbarisch. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, der sich selbst in die Luft sprengt, um Zivilisten zu töten. Und dann feiern die Menschen dort diese abscheulichen Schandtaten. Eben noch sitzen Kinder in einem Café. Im nächsten Augenblick: Wumm! In kleine Stücke zerfetzt.« Er beugte den riesigen Struwwelkopf. »Sogar hier in Amerika, wo niemand darben muss, hören die Gewalttaten nicht auf. Menschen wie Doktor Kind werden ihr Opfer. Wussten Sie, dass hier in Memphis im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Menschen eines gewaltsamen Todes sterben als in Jerusalem zur schlimmsten Zeit des palästinensischen Widerstands?«
    »Trotzdem sind Sie hier wohl sicherer als in Gaza, oder?«, bemerkte Tequila verächtlich.
    »Was wir dort tun, dient der Selbstverteidigung«, beharrte Steinblatt. »Wir müssen das Recht haben, unsere Kinder in Städten aufwachsen zu sehen, in denen es keine Terroristen gibt.«
    Tequila sah ihn finster an. »Schon klar, wenn man deren Häuser in Schutt und Asche bombt, zügelt das ihren Kampfgeist.«
    Ich stieß meinem Enkel den lädierten Ellbogen hart in die Rippen, und zuckte zusammen, als der Schmerz meinen Arm hinaufschoss.
    Steinblatt wandte sich mir zu. »Sagen Sie, Mister Buckshot, woher kannten Sie Doktor Kind?«
    »Das ist eine lustige Geschichte«, sagte ich. »Ich schlafe nämlich mit seiner Frau.«
    Der große Jude war kurzzeitig sprachlos, und dann wölbten sich seine buschigen Brauen. »Ihre Worte klingen verächtlich. Habe ich Sie verärgert?«
    »Sie hatten zugesagt, mich im Jewish Community Center zu treffen, und sind nicht aufgetaucht. Wenn man älter wird, merkt man, wie kostbar die Zeit ist. Deshalb kann ich nicht leiden, dass man sie mir stiehlt.«
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich war auf ein unüberwindbares Hindernis gestoßen. Ich hoffe, dass ich es eines Tages wiedergutmachen kann.«
    »Muss wohl ein mächtiges Hindernis gewesen sein, dass ein Kerl von Ihren Ausmaßen es nicht überwinden konnte«, sagte ich. »Darf man erfahren, worum es sich handelte?«
    Er sah mich missbilligend an. »Es ging um eine Angelegenheit, die zu erörtern ich nicht befugt bin.«
    »Ich bin nur deswegen so neugierig, weil ungefähr zu der Zeit, als Sie mich am Center versetzt haben, Lawrence Kind von jemandem ermordet wurde.«
    Seine großen Hände ballten sich zu erschreckenden Fäusten. »Wollen Sie mich beschuldigen?«
    Ich steckte mir eine Zigarette an. »Ich beobachte nur gewisse Dinge.«
    »Und ich kann leider nicht behaupten, dass ich Ihre Andeutung zu schätzen wüsste, Sir.«
    Ich kniff die Augen zusammen. »Yid’s Kack, kennen Sie einen Mann namens Avram Silver?«
    »Tue ich nicht«, sagte er. Seine Stimme wurde kalt. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen. Ich habe noch eine weitere Verabredung.«
    »Mit wem?«, fragte Tequila.
    Grabesstille bei Steinblatt.
    »Lassen Sie sich nicht aufhalten. Ich weiß, dass Sie wichtige Dinge zu erledigen haben. Wen auch immer Sie treffen, bestellen Sie ihm die besten Grüße von mir. In dieser Stadt kenne ich jeden jüdischen Mitbürger.«
    Mit einem knappen Nicken stapfte der große Russe davon.
    »Was für ein netter Kerl«, sagte ich zu Tequila. »Ich frage mich, ob es deiner Großmutter gefiele, ihn irgendwann einmal bei uns am Abendbrottisch sitzen zu sehen.«

18
    Tequila saß in meiner Sofakuhle und spielte mit seinem Internet den großen Macker. Er hatte den Computer gleich nach der Beerdigung eingeschaltet und noch vorm Abendbrot Informationen gesammelt, für die ein anständiger Detective sich hätte die Hacken abrennen, die eine oder andere Stange Zigaretten wegpaffen, mächtig viele Stöberstunden im Archiv und mit alten Zeitungen aufwenden und wahrscheinlich auch ein paar Typen hopsnehmen müssen.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher