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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatten. Unwahrscheinlich, dass es Avram Silver möglich gewesen sein sollte, einen Meuchelmörder um die halbe Welt zu schicken. Aber einem Mann wie Jitzchak Steinblatt keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken, schien mir furchtbar riskant zu sein.
    Auf dem Podest zerhackte Gregory Cutter die Luft mit der erhobenen rechten Hand.
    »Ich sage, hier in dieser unserer Kirche werden wir dem Teufel nicht geben, wonach er strebt. Wir werden uns erheben gegen das Böse, das uns bedroht. Und diejenigen von uns, die hier am Gottesdienst teilgenommen haben, werden Doktor Lawrence, unseren Pastor, unseren Hirten, unseren Freund, niemals vergessen.«
    Die Beerdigungsprozession wurde nicht nur von der Polizei eskortiert, sondern man hatte auch die Straßen zwischen der Kirche und dem Friedhof abgesperrt. Aber ein Hochglanzsarg und tausend Trauergäste änderten nichts an der Tatsache, dass Kind kaum mehr als zehn Meter von dem frischen Erdhügel entfernt begraben wurde, den man über Jim Wallace aufgeschüttet hatte.

17
    Während sich die Menge um Kinds Grab zerstreute, klopfte ich dem Dikembe Mutombo der orthodoxen Juden auf den Arm.
    »Schalom!, Yid’s Kack«, sagte ich.
    Tequila kicherte hinter vorgehaltener Hand.
    »Sie haben meinen Enkel Manischewitz noch nicht kennengelernt«, sagte ich zu dem Russen. »Er ist ein Mensch durch und durch, total integer. Ich bin so stolz auf ihn, dass es mir alle Hemdknöpfe über der Brust wegsprengt und Naches mir aus jeder meiner Poren bricht.«
    Befremdet zog Steinblatt die Augenbrauen zusammen. »Manischewitz? Wie der koschere Wein?«, fragte er.
    »Man nennt mich Tequila«, sagte Tequila. »Stammt noch aus der Studentenzeit. Mein Name ist Will.«
    »Aha, verstehe«, sagte Steinblatt. So ganz konnte er seine Missbilligung nicht verhehlen, denn wenn man in der entbehrungsreichen Zeit der Sowjetunion aufgewachsen war und auf einem schmalen Streifen Erde im Mittleren Osten ums Überleben gekämpft hat, konnte man den Angewohnheiten amerikanischer Verbindungen vermutlich nicht viel abgewinnen. Aber gegenüber den Juden in der Diaspora musste der arme Jitzchak Sympathie heucheln. Das gehörte zu seinem Job.
    Tequila streckte die Hand aus, und Steinblatts Pranke ließ sie verschwinden.
    »Also«, sagte ich. »Woher kannten Sie Doktor Kind?«
    »Ich kannte ihn gar nicht. Zumindest nicht persönlich. Doch meiner Behörde war er sehr wohl bekannt. Ich bin hauptsächlich hier, um mit Juden aus den amerikanischen Südstaaten zusprechen, aber auch beauftragt, unter unseren sonstigen Freunden Israel zu repräsentieren.«
    »Lawrence Kind war ein Freund Israels?«, fragte Tequila.
    »Oh ja, ein sehr großer Freund. Die evangelikalen Christen halten dem Staat Israel unerschütterlich die Treue. Sie glauben, dass unsere Anwesenheit im Heiligen Land die Wiederkehr ihres Christus beschleunigt. Viele Menschen hier sind der Auffassung, dass die politische Einflussnahme der amerikanischen Juden die ganz spezielle Beziehung zwischen Israel und den Vereinigten Staaten erhält, aber die Evangelikalen sind nicht minder wichtig. Außerdem spielt der christliche Tourismus für unsere Wirtschaft eine herausragende Rolle.«
    Die meisten Trauergäste waren gegangen, und jetzt löste ich meinen Schlipsknoten und öffnete einen Kragenknopf. »Sich um Kind zu kümmern fiel also in Ihren professionellen Aufgabenbereich?«, fragte ich.
    »Absolut«, sagte Steinblatt. »Persönlich bin ich ihm, wie gesagt, nie begegnet, aber er stand in recht enger Beziehung zu diversen meiner Kollegen, und alle haben höchst bekümmert auf die Nachricht seines Dahinscheidens reagiert. Kind hat mehrmals Touristengruppen aus Mitgliedern seiner Gemeinde nach Israel geführt, und das Ministerium für Angelegenheiten der Diaspora half ihm dabei, die Reisen zu organisieren. Da ich mich im Moment hier in Memphis aufhalte, bin ich hergekommen, um meine Anteilnahme kundzutun.«
    »Sehr freundlich von Ihnen«, sagte ich.
    Steinblatt zupfte an seinem Bart. »Er war so ein junger und energiegeladener Mann, und er starb auf so entsetzliche Weise. Ich bin zutiefst erschüttert. Ich stelle immer wieder fest, dass ich solch brutalen Gewalttaten zwar nicht wirklich aus dem Weg gehen kann, mich aber andererseits auch niemals an sie gewöhnen werde. Mister Buckshot, Sie sind ebenfalls oft Zeuge menschlichen Leidens geworden. Wie kann man lernen, mit derartigen Gräueln zu leben?«
    »Manche Menschen scheinen Gefallen daran zu finden.«
    Er verzog die dicken,

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