Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
sie’s nicht täte«, sagte ich.
Gregory Cutter, Kinds Nachfolger, tätschelte Felicias Hand, umarmte den weinenden Vater und stieg dann auf das Podest vor dem Sarg. Die Trauergäste verstummten, als der Priester das Mikrofon ergriff.
»Lawrence würde es gefallen, Sie alle heute hier zu sehen, da bin ich sicher«, sagte er. »Er war uns ein Freund und ein Ratgeber und ein Zuhörer und eine Leitfigur, und er hat mit seiner Weisheit und seinem Mitgefühl das Leben vieler Mitglieder unserer Gemeinde beeinflusst.«
Kinds Vater schluchzte.
»Ich würde sagen«, meinte Tequila und setzte sich zurecht, »wenn es mit ihr zu tun hat, dann hat es mit uns nichts zu tun.«
Das ließ ich mir durch den Kopf gehen, während ich mit halbem Ohr auf Cutters Rede hörte.
»Wir alle haben uns in den vergangenen Tagen gefragt, was für ein Monster jemandem wie Larry so etwas angetan hat. Und die Polizei ist noch immer auf der Jagd nach dem Täter. Aber ich weiß, wer hinter diesem Verbrechen steckt. Ich weiß, wer Lawrence Kind und diese unsere Kirche zerstören wollte.«
»Das macht die Sache ja gleich viel einfacher«, flüsterte Tequila mir zu.
»Jeder von uns hat einen Feind«, rief Cutter vom Podest und richtete den Finger auf die Zuhörer. »Jeder von uns hat einenWidersacher, der brutal und grausam ist. Und dieser Feind ist fürchterlich, ist so entsetzlich, dass er die Besten unter uns niederzwingt, sogar Männer so rein und so stark wie unser Hirte.«
Ich war General Eisenhowers Rat gefolgt und hatte mich an meiner Waffe festgehalten. Das hatte mich siebenundachtzig Jahre am Leben erhalten. Aber der arme Lawrence Kind war ganz und gar nicht der Mann gewesen, der so hätte handeln können. Ich fragte mich, ob ich die Chance gehabt hatte, ihn zu retten, als er bei mir in der Tür stand. Ich nahm an, dass die Falle da bereits zugeschnappt war, aber selbst wenn ich ihm mit Geld hätte aushelfen können, war Kind letztlich ganz allein selbst für sein Ende verantwortlich.
»Der Feind vernebelt unser Urteilsvermögen. Der Feind führt uns in Versuchung, bis es um uns geschehen ist. Der Feind demoralisiert uns«, dröhnte Cutter.
T. Addleford Pratt blickte feixend zu uns herüber.
Tequila antwortete mit einem finsteren Blick.
»Der Typ ist doch nur ein dämlicher Clown«, flüsterte er. »Die Ehefrau scheint mir weitaus gefährlicher zu sein.«
»Aber selbst wenn der Teufel die Besten von uns niederzwingt, müssen wir doch im Angesicht der Pein furchtlos dastehen, wie Jesus es tat und wie Larry es tat. Schlussendlich wissen wir alle, dass wir dem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen werden, mutterseelenallein, in der Dunkelheit, wenn wir schwach sind und verzagt«, rief Cutter. »Aber ich blicke heute hier auf alle unsere Freunde, und ich sage, wir sind unbeugsam in unserem Glauben, und wir werden obsiegen über das Böse, alle diejenigen von uns, die stark sind in ihrer Liebe, sie werden zusammen mit Jesus und Pastor Kind hinüberwandeln ins Gelobte Land.«
Ich rieb behutsam über meinen malträtierten Ellbogen. »Auch ein völlig behämmerter Dämlack ist in der Lage, gefährlich zu werden.«
»Ob in der Lage oder nicht, er hat nicht die Eier, einem pensioniertenMemphis-Cop in Memphis übel mitzuspielen«, sagte Tequila.
»Ich hätte auch nicht gedacht, er würde einem Priester übel mitspielen«, sagte ich zu ihm. »Aber jemand hat dafür gesorgt, dass Larry da in der Kiste liegt.«
In der ersten Reihe überkreuzte Felicia Kind die Beine, stellte sie jedoch sofort wieder züchtig nebeneinander. Ich schielte zu ihr hinüber. Ihre Wimperntusche war nicht verlaufen. Ihr Lippenstift war nicht verschmiert. Sie wirkte wie eine äußerst souveräne junge Dame, was angesichts der Umstände ungewöhnlich war. Hätte ich die Kinds 1965 zu Gesicht bekommen, als ich mich auf dem Höhepunkt meiner Karriere befand, hätte sich bei mir auf der Stelle der Verdacht eingestellt – nein, Scheiße, wäre ich augenblicklich so gut wie sicher gewesen –, dass der Tod des feisten und reptiliengesichtigen Priesters auf irgendeine Weise mit dieser Granate von Ehefrau in Zusammenhang stand. Kind war nicht reich gewesen, aber vielleicht hatte Felicia ihn ja umgebracht, um sich aus der Ehe mit einem unheilbaren Spieler zu befreien oder um frei zu sein, mit irgendjemand anders durchzubrennen. Das hörte sich jedenfalls plausibler an als die bescheuerten Geschichten von einem Spion, die Tequila und ich einander aufgetischt
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