Der Altman-Code
Dann wurde es ihm klar … In Gedanken konnte er wieder diesen kleinen Jungen sehen, der die Hände zu einem gesichtslosen Fremden hochstreckte.
Es kam zu einer Unterbrechung in der Diskussion, und er merkte, dass die anderen darauf warteten, dass er etwas sagte. »Das Außenministerium muss sich darauf gefasst machen, alle diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Im Verteidigungsministerium müssen sie sich Gedanken darüber machen, was wir zur Verfügung haben, um den Chinesen ordentlich Angst einzujagen. Die Navy soll Alternativen entwickeln, wie wir an Bord der Empress kommen und ihre Ladung inspizieren können.« Er klatschte mit den Händen auf den Tisch und stand auf. »Ende der Diskussion. Das war’s, meine Herren. Danke, dass Sie gekommen sind.«
Samstag, 16. September - Kowloon
In seinem Hotelzimmer zog Smith sich Handschuhe an, um die Taschen des jungen Mannes zu durchsuchen. Er fand einen Hauptschlüssel, ein paar Münzen und ein Päckchen Kaugummi. Nachdem er alles, einschließlich des Schlüssels, zurückgesteckt hatte, sah er auf den Flur hinaus. Kein Mensch zu sehen. Er trug die Leiche zur Feuertreppe. Das stille Treppenhaus führte weit nach oben und unten. Er stieg eine Etage höher und lehnte den Toten an die Wand.
Aus seiner schmalen Brust ragte immer noch der Dolch.
Smith zog ihn heraus. Sobald die Wunde offen war, begann das Blut zu strömen wie der Jangtse. Seufzend legte er den Dolch neben den Toten und ging nach unten.
Wieder in seinem Zimmer, stellte er einen Stuhl unter die Türklinke, falls noch jemand mit einem Hauptschlüssel und einem Instrument zum Lösen der Türkette auf dumme Gedanken kommen sollte. Dann putzte er die Badewanne und suchte Boden und Möbel, einschließlich Bett, nach Blutspuren ab. Er fand keine, und es lag auch nichts herum, was der Killer fallen gelassen hatte.
Erleichtert ging er unter die Dusche. Im dampfenden Wasser schrubbte er sich, bis seine Haut glühte. Gleichzeitig versuchte er, seine Gedanken von dem Toten loszureißen und auf die Zukunft zu richten. Beim Abtrocknen begann er bereits Pläne zu schmieden.
Schließlich legte er sich wieder ins Bett. Er lag wach auf dem Rücken, und während er zur Ruhe zu kommen versuchte, lauschte er den nächtlichen Geräuschen des Hotels, dem Verkehrslärm und dem traurigen Tuten der Schiffe und Boote im Hafen; all den Geräuschen des Lebens in einer betriebsamen Stadt auf einem betriebsamen Planeten in einer betriebsamen Galaxis in einem betriebsamen Universum. Und in einem gleichgültigen Universum, einer gleichgültigen Galaxis, einem gleichgültigen Planeten und einer gleichgültigen Stadt.
Er lauschte dem Klopfen seines eigenen Herzens. Dem eingebildeten Rauschen des Bluts, das durch seine Venen und Arterien strömte. Geräuschen, die außer in seinem Kopf nirgendwo zu hören waren. Irgendwann vor Tagesanbruch schlief er ein.
Und schreckte wieder aus dem Schlaf hoch. Er setzte sich kerzengerade auf. Draußen auf dem Flur wurde auf den Rädern eines Zimmerservice-Wagens jemandem ein frühes Frühstück gebracht. Um die Ränder der Vorhänge machten sich die ersten Strahlen des Morgens bemerkbar, während die Großstadtgeräusche anschwollen und ihrem Höhepunkt entgegenstrebten. Er sprang aus dem Bett und zog sich an. Wenn sich der Killer nicht bei seinen Auftraggebern meldete, würden sie einen weiteren Killer losschicken, und zwar unabhängig davon, ob die Leiche entdeckt und die Polizei verständigt worden war.
Nachdem er sich angezogen hatte, denselben Anzug, aber mit frischem Hemd und neuer Krawatte, holte er verschiedenes aus seinem Koffer – Rucksack, graue Hose, knallbuntes Hawaiihemd, Seersucker-Sportsakko, Leinenturnschuhe, faltbarer Panamahut. Seine schwarze Arbeitskleidung war bereits im Rucksack. Er packte auch alles andere hinein, einschließlich seines Diplomatenkoffers.
Schließlich setzte er seine dunkelblonde Perücke auf und rückte sie im Spiegel zurecht. Er war wieder Major Kenneth St. Germain.
Nach einem letzten Rundgang durch das Zimmer streifte er den Rucksack über, nahm den Koffer in die Hand und ging nach draußen. Der Flur war immer noch leer, aber hinter den Zimmertüren liefen Fernseher, und man konnte Menschen herumgehen hören.
Smith fuhr mit dem Lift in den ersten Stock und nahm von dort die Treppe ins Foyer hinunter. An der Tür zum Treppenhaus ließ er den Blick von Osten nach Westen und von Norden nach Süden durch das Foyer wandern.
Er sah keine Polizei,
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