Der Altman-Code
›Altman‹?«
»Es ist der Vorname seines Vaters«, erklärte Klein.
»Altman McDermid. Er war ein gescheiterter Geschäftsmann – verlor während der Wirtschaftskrise seinen gerade eröffneten Drugstore, fing noch einmal von vorne an, um ihn dann in den sechziger Jahren ein zweites Mal zu verlieren, als in der Kleinstadt in Tennessee, in der sie lebten, ein großer Walgreen eröffnete. Danach hat er nicht mehr gearbeitet. Für den Unterhalt der Familie musste ab diesem Zeitpunkt seine Frau aufkommen. Sie arbeitete als Putzfrau.« Smith nickte. »Könnte sein, dass Ralph McDermid wettzumachen versucht, was seinem Vater passiert ist.
Oder er hat panische Angst, dass es ihm genauso ergehen könnte, und versucht deshalb, sich dagegen abzusichern, indem er immer mehr Reichtum anhäuft.«
»Oder er ist ein solches Finanzgenie, dass er einfach nicht anders kann.« Nach einer kurzen Pause fuhr Klein fort: »Ralph McDermid hält sich im Moment in Hongkong auf. Er ist Amerikaner, spricht nur Englisch.« Smith dachte kurz nach. »Verstehe, aber welches Interesse könnte dieser McDermid an der Empress haben? Das ist doch nur ein einziges Schiff. Für einen Großunternehmer seines Kalibers sind das nur Peanuts.«
»Natürlich ist das richtig. Aber unsere Informationen sind absolut zuverlässig: Die Empress und ihre Fracht gehören Flying Dragon Enterprises in Shanghai und Donk & LaPierre, die wiederum der Altman Group eingegliedert sind. Was ich jetzt von Ihnen brauche – und zwar besser gestern als heute –, ist das dritte Exemplar des Ladeverzeichnisses. Nehmen Sie Ralph McDermid unter die Lupe. Sehen Sie zu, ob Sie ihn mit der Empress in Verbindung bringen können, und versuchen Sie herauszufinden, ob er das Dokument hat.«
Freitag, 15. September - Washington, D.C.
Präsident Castilla hielt inne, um die passenden Worte zu finden, die sowohl den Ernst dessen zum Ausdruck brächten, was er bekannt zu geben im Begriff war, als auch rechtfertigen würden, warum er diese Information so lange zurückgehalten hatte. Er blickte sich im hermetisch abgeschirmten Situation Room im Untergeschoss des Weißen Hauses um, wo fünf Männer mit ihm am Konferenztisch saßen. Drei schauten etwas verwundert drein.
»Nachdem wir uns hier treffen«, begann er, »ist Ihnen dafür selbstverständlich bereits klar, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handeln muss. Bevor ich Ihnen jedoch den Sachverhalt darlege, möchte ich mich bei dreien von Ihnen entschuldigen, dass ich Sie nicht schon früher eingeweiht habe, und dann werde ich Ihnen erklären, warum ich mich dafür eigentlich nicht entschuldigen muss.«
»Wir stehen zu Ihrer Verfügung, Mr. President«, sagte Vizepräsident Brandon Erikson und fügte aufrichtig hinzu: »Wie immer.« Erikson, drahtig und muskulös, hatte schwarzes Haar, ebenmäßige Gesichtszüge und ein lockeres, an Kennedy erinnerndes Flair, das bei den Wählern sehr gut ankam. Mit seinen fast noch jugendlichen vierzig Jahren war er außerdem für seine Energie und Dynamik bekannt, auch wenn seine wahre Stärke seine messerscharfe Intelligenz war, hinter der sich ein politischer Weitblick verbarg, der in keinem Verhältnis zu seinen Lebensjahren und seiner Erfahrung stand.
»Was für einen Sachverhalt?«, wollte Verteidigungsminister Stanton mit einem Anflug von Argwohn in der Stimme wissen. Sein kahler Schädel glänzte im Schein der Deckenbeleuchtung, als er seinen Blick durch die Runde wandern ließ.
Außenminister Abner Padgett fragte: »Verstehe ich Sie richtig, dass Admiral Brose und Mr. Ouray bereits wissen, was Sie uns sagen wollen?« Seine Stimme war trügerisch ruhig, aber seine Augen blitzten angesichts des Affronts.
Seine korpulente Gestalt wirkte wie in den Sessel eingegossen und brachte unbewusst sein natürliches Selbstbewusstsein zum Ausdruck, dasselbe Selbstbewusstsein, das sich Castilla immer wieder zunutze machte, wenn er seinen Außenminister zu den Krisenherden in aller Welt schickte, um harte Kompromisse auszuhandeln und harte Herzen zu erweichen. Padgett war der beste Mann für heikle diplomatische Missionen. Zu Hause reagierte er dagegen rasch gereizt.
»Admiral Brose musste es erfahren«, erklärte der Präsident schroff und sah sie finster an. »Charlie habe ich es erst heute Morgen erzählt, damit er dieses Treffen arrangieren konnte. Ihre Reaktionen sind genau der Grund, warum ich mich nicht entschuldigen muss. In diesem Kabinett und dieser Regierung gibt es eindeutig zu viele
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