Der Altman-Code
nicht arbeiten. Ich mache natürlich nur Schreibarbeiten. Er will nicht, dass wir herumsitzen und Pläne schmieden oder in Streit geraten.
Untätigkeit führt zu Nachdenklichkeit und Rastlosigkeit – bei Häftlingen eine gefährliche Mischung.« Thayer zögerte. Er straffte die Schultern und kniff seine fahlen Augen zusammen, als er sich Chiavelli zuwandte. »Machen Sie sich Gedanken, wie Sie mich hier irgendwie rausholen können?«
»Solche Überlegungen gibt es. Allerdings auch Bedenken. Nicht nur Ihr Gesundheitszustand, sondern auch wie mein Chef die Lage einschätzt und was der Präsident tun kann und was nicht. Verstehen Sie?«
»Ja. Das war mein Leben. Politik. Interessen. Diplomatie. Diese Kräfte sind immer am Werk, nicht wahr? Dieselben ›Überlegungen‹, die das Außenministerium veranlassten, mich damals achtundvierzig in Unkenntnis darüber zu lassen, was wir tatsächlich machten. Das und meine Naivität haben mir diese Suppe eingebrockt.«
»Wenn es nach mir geht, werden die Chinesen Sie nicht mehr lange hier festhalten. Und ich glaube, ich kriege das schon hin.« David Thayer nickte und stand auf. »Ich muss jetzt zur Arbeit. Vorerst lässt man Sie noch in Ruhe. Aber morgen müssen auch Sie auf die Felder.«
»Das haben mir meine netten Wärter schon gesagt.«
»Was werden Sie als Nächstes tun?«
»Meldung erstatten.« Hongkong In einer teuren Boutique im Conrad International Hotel kaufte sich Smith einen weißen Stetson. Die Kreditkarte, die er dafür benützte, war auf eine seiner Tarnidentitäten ausgestellt – einen Mr. Ross Sidor aus Tucson, Arizona.
Er setzte den Hut auf, nahm sich ein Zimmer im Hotel und gab dem Hoteldiener ein üppiges Trinkgeld, damit er sich an Mr. Ross Sidor erinnern würde. Sobald er allein in seinem Zimmer war, machte er sich an die Arbeit: Er schlüpfte in die graue Hose und das knallige Hawaiihemd aus seinem Rucksack. Darüber zog er den Anzug an, den er am Tag zuvor bei Donk & LaPierre getragen hatte. Das war zwar eng, aber es ging. Zum Schluss setzte er wieder die blonde Perücke auf und steckte die Beretta am Rücken in seinen Gürtel.
Bevor er ging, packte er das blaue Seersucker-Sportsakko, die Stoffturnschuhe, den zusammengefalteten Panamahut und den Rucksack in seinen schwarzen Diplomatenkoffer. Dann verließ er damit das Zimmer.
Im Foyer entdeckte er niemand Verdächtigen. Drau
ßen auf dem Queensway machte er sich, fortgetragen von der Flut von Passanten, die ihr ganzes Leben auf den Straßen der Stadt zu verbringen schienen, auf den Weg zum Zentrum von Central. Eine Straße weiter entdeckte er drei der bewaffneten Männer, die am Vortag an der Telefonzelle in Kowloon nach ihm gesucht hatten. Sobald sie ihn entdeckt hatten, verteilten sie sich und folgten ihm. Aber sie machten keine Anstalten, ihn einzuholen; und er machte keine Anstalten, sie abzuschütteln.
Er versuchte auch nicht zu verhehlen, wohin er unterwegs war. Wenn sie ihn als Major Kenneth St. Germain wiedererkannten, wären sie vielleicht überrascht und, so hoffte er, auch verwirrt, ihn in das Hochhaus zurückkehren zu sehen, in dem sich das Büro von Donk & LaPierre befand.
Als er das Gebäude erreichte, drängte er sich durch die Menschenmassen auf seinen Eingang zu. Während er es betrat, bezogen seine drei Verfolger auf der gegenüberliegenden Straßenseite Stellung. Einer sprach aufgeregt in ein Handy. Smith lächelte in sich hinein.
Die asiatische Niederlassung der Altman Group befand sich in den obersten zehn Etagen des Gebäudes. Leiter von Altman Asia war Ferdinand Aguinaldo, Ex-Präsident der Philippinen. Sein Büro lag sogar noch weiter oben – im Penthouse. Smith nahm den Lift.
Der Empfang war mit grünem Bambus, hohen, mit Schnitzereien verzierten Tischen sowie Stühlen und Sofas eingerichtet.
Die Empfangsdame, eine Filipina, lächelte höflich.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Dr. Kenneth St. Germain. Ich würde gern Mr. Aguinaldo sprechen.«
»Seine Exzellenz ist im Moment nicht in Hongkong, Sir.
Dürfte ich fragen, weshalb Sie ihn sprechen möchten?«
»Ich bin im Auftrag des Surgeon General der Vereinigten Staaten hier, um der biomedizinischen Tochtergesellschaft von Donk & LaPierre in der Volksrepublik einen Besuch abzustatten und mich über ihre Forschungsarbeit mit Hantaan-Viren zu informieren.« Er zeigte seinen USAMRIID-Ausweis und ein gefälschtes Schreiben des Surgeon General. »Mr. Cruyff hat mich hier rauf zu Mr. Aguinaldo geschickt.« Beeindruckt zog die
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