Der Altman-Code
Serge hatte ihn gut verstanden. Er fragte sich, welchen Rat ihm David Thayer gegeben hätte. Ob er auch so weise und freundlich war? Zu was für einem Mann er wohl gealtert war? Einen Augenblick war er wütend, um seinen biologischen Vater betrogen worden zu sein, doch dann spürte er die tiefe Traurigkeit, die David Thayer empfinden musste. Ein halbes Jahrhundert lang in Gefangenschaft zu leben, von allem und jedem, den man liebte, getrennt zu sein, von der Verwirklichung seiner Träume und Ambitionen abgehalten zu werden … Was für eine private Hölle hatte Thayer durchgemacht! Er holte sich in die Gegenwart zurück. »Sie wissen, Sie haben meine uneingeschränkte Unterstützung, Brandon.
Doch jetzt zu Ihrer bevorstehenden Reise. Wenn ich mich recht entsinne, werden Sie Afghanistan, Pakistan und Indien besuchen.«
»Wir werden uns natürlich um größtmögliche Flexibilität bemühen. In diesen Regionen ist die politische Lage so unvorhersehbar, dass ich vielleicht auch in Hongkong und Saudi-Arabien einen Zwischenstopp einlegen muss.
Angesichts der vielen Terrordrohungen möchte das Au
ßenministerium, dass ich ordentlich Druck mache.«
»Hört sich vernünftig an. Wir müssen diesbezüglich weiter an allen Fronten aktiv bleiben.«
»Genau …« Die Tür des Esszimmers öffnete sich, und Jeremy, der persönliche Assistent des Präsidenten, steckte den Kopf herein. Wenn es nicht dringend gewesen wäre, hätte er den Präsidenten bei einem Frühstück mit dem Vizepräsidenten auf keinen Fall gestört. »Admiral Brose, Sir. Er möchte Sie unverzüglich sprechen.« Castilla bedachte den Vizepräsidenten mit einem bedauernden Lächeln. »Okay, Jeremy, schicken Sie ihn rein.« Erikson schob sich eine letzte Gabel Rühreier in den Mund. »Wenn Sie nichts dagegen haben, Sam, würde ich gern bleiben, mich auf dem Laufenden halten – obwohl mir natürlich klar ist, dass ich eigentlich nicht gebraucht werde.« Castilla zögerte. Ihm lag nach wie vor viel daran, über die Angelegenheit nichts nach draußen dringen zu lassen.
Er nickte. »Taktvoll und zutreffend. Bleiben Sie und schenken Sie sich noch eine Tasse Kaffee ein.« Die Tür öffnete sich ganz, diesmal um Admiral Stevens Broses imposante Gestalt in voller Uniform eintreten zu lassen. Der Admiral sah den Vizepräsidenten und blieb stehen.
»Schon in Ordnung, Stevens. Der Vizepräsident ist bereits im Bilde. Ich nehme mal an, es ist die Empress - Geschichte, die Sie so früh hierher führt.«
»So ist es, Mr. President. Ich fürchte nur …« Castilla deutete auf einen Stuhl am Tisch. »Setzen Sie sich. Nehmen Sie sich erst mal eine Tasse Kaffee, bevor wir uns in diesen ganzen Sumpf stürzen.«
»Danke, Sir.« Der Stuhl knarzte, als der hünenhafte Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs Platz nahm, einschenkte und trank. Dann: »Die Crowe wird von einem chinesischen U-Boot beschattet.«
»Das hat uns gerade noch gefehlt!«, hauchte der Vizepräsident.
Der Präsident nickte nur. »Mit so etwas haben wir ja gerechnet, Stevens.«
»Ja, Sir, das war an sich klar. Aber es ist doch etwas dreister, als ich nach allem, was ich über Ihr Treffen mit dem Botschafter gehört habe, erwartet hätte.«
»Da muss ich Ihnen Recht geben«, erwiderte Castilla »Ein U-Boot, das eine Fregatte bedroht, das einen Frachter bedroht, lässt niemandem mehr viel Spielraum.«
»Wie stark ist ein chinesisches U-Boot, Admiral?«, fragte Erikson.
Brose runzelte die Stirn. »Das hängt von der Klasse ab.
Commander Chervenko von der Crowe hat aus seiner Zeit bei der Task Force 75 der Seventh Fleet in der Straße von Taiwan einige Erfahrung mit chinesischen U-Booten. Er und sein Sonaroperator meinen, bei dem U-Boot handele es sich um einen alten Typ der Han-Klasse. Das ist an sich das Naheliegendste, da die Mehrzahl ihrer einsatzfähigen U-Boote Hans sind. Aber es könnte auch eins der stärkeren Xia sein, die neuerdings wieder zum Einsatz kommen. Dann wäre es ziemlich sicher ein modifiziertes und verbessertes Modell … oder sogar ein gänzlicher neuer U-Boot-Typ, der heimlich zum Einsatz gekommen ist. Wir wissen, dass sie schon seit Jahren an einem besseren Boot arbeiten.« Erikson ließ nicht locker. »Wie ist ihre Kampfkraft in etwa?«
»An sich müsste die Crowe mit einem Han allein fertig werden, obwohl man nie sagen kann, welche Verbesserungen an dem Boot vorgenommen worden sein könnten.
Bei einem Xia ist das schwer zu sagen. Über diesen Typ wissen wir nur wenig, außer dass es
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