Der Altman-Code
sein ganzer Körper troff von Schweiß. Er wusste nicht, wie weit er rannte oder wie lang, aber er merkte, dass die typischen Hinweise darauf, dass er verfolgt wurde, ausblieben. Kein knackendes Unterholz. Keine raschen Schritte. Keine Schüsse.
Ganze fünf Minuten lang kauerte er sich hinter einen Baum. Sie kamen ihm wie fünf Stunden vor. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Hatten sie aufgegeben? Er und Mondragon hatten mindestens drei getötet, zwei verwundet und möglicherweise noch ein paar andere getroffen.
Aber das alles tat im Moment wenig zur Sache. Wenn die Verfolger von ihm abgelassen hatten, konnte das nur eines bedeuten – sie besaßen jetzt, weswegen sie gekommen waren. Sie hatten das geheime Ladeverzeichnis der Dowager Empress gefunden.
3 Washington, D. C.
Goldenes Sonnenlicht überflutete den Rosengarten des Weißen Hauses und bildete warme Rechtecke auf dem Boden des Oval Office, aber trotzdem empfand Präsident Castilla diesen Morgen irgendwie bedrohlich, als Charles Ouray, der Stabschef des Weißen Hauses, zur Tür hereinkam.
Ouray sah genauso unfroh aus, wie er sich fühlte. »Setzen Sie sich, Charlie«, sagte der Präsident. »Was gibt’s?«
»Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich hören wollen, Mr. President.« Er setzte sich aufs Sofa.
»Kein Glück mit den undichten Stellen?«
»Null.« Ouray schüttelte den Kopf. »Lecks solcher Größenordnung und Regelmäßigkeit, und das über ein ganzes Jahr hinweg, müssten eigentlich aufzuspüren sein, aber Secret Service, FBI, CIA und NSA tappen weiterhin völlig im Dunkeln. Sie haben jeden im Westflügel von der Poststelle bis zu den hochrangigen Mitarbeitern, mich eingeschlossen, auf Herz und Nieren überprüft. Die gute Nachricht ist, sie verbürgen sich dafür, dass keiner von uns für die Lecks verantwortlich ist. Die gesamte Belegschaft des Weißen Hauses bis hinunter zum Reinigungspersonal und den Gärtnern ist über jeden Verdacht erhaben.« Der Präsident bildete mit den Händen ein Zelt und betrachtete finster seine Finger. »Na schön, und wer bleibt dann noch?« Ouray sah ihn misstrauisch an. »Wer dann noch bleibt, Sir?«
»Ja, wer dann noch bleibt, Charlie? Wer wurde nicht überprüft, der Zugang zu den Informationen haben könnte, die nach draußen durchgedrungen sind? Die Pläne … die allgemeine politische Marschrichtung. Lauter Dinge, die auf höchster Ebene diskutiert wurden.«
»Ich weiß, Sir. Aber ich verstehe trotzdem nicht recht, was Sie mit ›Wer bleibt dann noch übrig?‹ meinen. Niemand, kann ich …«
»Haben Sie mich überprüft, Charlie?« Ouray lachte gequält. »Natürlich nicht, Mr. President.«
»Warum nicht? Ich hatte doch Zugang zu diesen Informationen.«
»Nun, Sir, Sie zu verdächtigen wäre vollkommen absurd.«
»Das hieß es bei Nixon auch, bis man die Tonbänder fand.«
»Sir …«
»Ich weiß, Sie denken, die Bänder haben dem Präsidenten den größten Schaden zugefügt. Das stimmt aber nicht. Den größten Schaden haben sie dem amerikanischen Volk zugefügt, aber ich glaube, langsam beginnen Sie mich zu verstehen.« Ouray sagte nichts.
»Schauen Sie weiter oben nach, Charlie, und sehen Sie genau hin. Das Kabinett. Der Vizepräsident, der nicht immer einer Meinung mit mir ist. Die Vereinigten Stabschefs, das Pentagon, einflussreiche Lobbyisten, mit denen wir manchmal sprechen. Niemand ist über jeden Verdacht erhaben.« Ouray beugte sich vor. »Glauben Sie wirklich, es könnte jemand so weit oben sein, Sam?«
»Natürlich. Egal, wer es ist, er – oder sie – bricht uns das Genick. Nicht so sehr die Informationen … Dass die Presse, und sogar unsere Feinde, über unsere Pläne Bescheid wussten, bevor wir sie bekannt gaben – das war bisher nur peinlich. Nein, der größte Schaden besteht darin, dass unser gegenseitiges Vertrauen gelitten hat und die nationale Sicherheit potenziell bedroht ist. Im Moment kann ich keinem unserer Leute etwas Hochbrisantes anvertrauen, nicht einmal Ihnen.« Ouray nickte. »Ich weiß, Sam. Aber ab jetzt können Sie mir wieder vertrauen.« Er lächelte, aber es war kein humorvolles Lächeln. »Ich wurde als vertrauenswürdig eingestuft. Es sei denn, Sie können FBI, CIA, NSA und Secret Service nicht mehr trauen.«
»Sehen Sie? Im Hinterkopf fangen wir sogar schon an, denen zu misstrauen.«
»Kann durchaus sein. Was ist mit dem Pentagon? Viele der durchgesickerten Informationen betrafen militärische Entscheidungen.«
»Politische Entscheidungen, keine militärischen.
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