Der Altman-Code
Exemplaren?«
»Um die Kopie, die in Bagdad sein dürfte, werde ich mich kümmern. Mit etwas Glück werden wir uns keine Gedanken zu machen brauchen, wo das dritte Exemplar ist.« Klein hielt inne. »Vielleicht sollte ich Sie darauf hinweisen, Colonel, dass wir unter enormem Zeitdruck stehen. Berechnungen der Navy zufolge sind es nur noch fünf Tage, vielleicht sogar weniger, bis die Empress den Persischen Golf erreicht.«
Mittwoch, 13. September - Washington, D.C.
Präsident Castilla nahm sein Mittagessen im Oval Office an dem massiven Kiefernholztisch ein, den er aus seinem Gouverneurssitz in Santa Fe mitgebracht hatte. Genau wie hier hatte er ihm auch dort schon als Schreibtisch gedient. In einer nostalgischen Anwandlung legte der Präsident sein Chili-Käse-Sandwich beiseite und drehte sich auf seinem neuen Sessel, um durch das Fenster auf den üppig grünen Garten und die Monumente in der Ferne hinauszuschauen, die ihm inzwischen richtig ans Herz gewachsen waren. Trotzdem schob sich über diesen Anblick in seinem Kopf ein anderes Bild – die breiten roten Sonnenuntergänge und die weite, leere und doch ständig lebendige Wüste um seine Ranch tief unten im Grenzland seines Heimatstaates New Mexico, wo man durchaus noch auf einen in freier Wildbahn lebenden Jaguar sto
ßen konnte. Mit einem Mal kam er sich alt und müde vor.
Er wollte nach Hause.
Diese private Träumerei wurde durch das Erscheinen seines persönlichen Assistenten Jeremy beendet. »Mr. Klein ist hier. Er würde Sie gern sprechen, Sir.« Der Präsident sah auf seine Schreibtischuhr. Wie spät war es jetzt in China? »Keine Anrufe oder Besucher, bis ich Ihnen Gegenteiliges sage.«
»Ja, Sir.« Der Assistent hielt die Tür auf.
Aus der Brusttasche von Fred Kleins Tweedsakko ragte ein Pfeifenstiel hervor, als er in den Raum geeilt kam.
Jeremy schloss die Tür hinter ihm, und Castilla winkte ihn zu dem englischen Clubsessel, einem Geschenk der Queen. »Ich wäre heute Abend sowieso zum Jachtclub rausgekommen.«
»Diese Sache duldet keinen Aufschub. Angesichts der undichten Stellen kann ich mich nicht mal mehr auf das rote Telefon verlassen.« Der Präsident nickte. »Haben wir das Ladeverzeichnis?« Klein seufzte schwer. »Nein, haben wir nicht.« Er wiederholte Smiths Bericht.
Der Präsident verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Schrecklich. Wurde die Familie des Agenten benachrichtigt?«
»Selbstverständlich.«
»Wird für sie gesorgt?«
»Ja.« Der Präsident blickte wieder aus dem hohen Fenster.
»Glaubst du, sie würden gern mal ins Oval Office kommen, Fred?«
»Das geht nicht. Covert-One existiert nicht. Mondragon war Geschäftsmann, mehr nicht.«
»Es gibt Momente, in denen ist dieser Job noch schwerer als sonst.« Der Präsident hielt inne. »Na schön, wir haben also nicht, was ich haben müsste. Wann werden wir es haben?«
»Smith verfolgt eine Spur in Shanghai. Er wird der Sache vor Ort nachgehen. Als Gast der Volksrepublik China wird er mit Mikrobiologen aus einem ihrer Forschungsinstitute sprechen. Außerdem habe ich Leute in Beijing, Hongkong, Guangzhou und einigen der neuen Industriestädte, die dort in den letzten paar Jahren aus dem Boden geschossen sind. Sie halten nach Hinweisen Ausschau, dass vielleicht Beijing das Ganze eingefädelt hat, außerdem versuchen sie Informationen über die Dowager Empress zu beschaffen, selbst wenn es nur Gerüchte sind. Und es besteht die Möglichkeit, dass wir in Bagdad ein Exemplar des Verzeichnisses auftreiben können. Ich setze gerade einen Agenten darauf an.«
»Gut. Ich lasse von der Navy eine Fregatte losschicken.
Brose meint, es dauert allerhöchstens zehn Stunden, bis die Empress merkt, was wir vorhaben. Danach weiß China, und wahrscheinlich die ganze Welt, Bescheid.«
»Wenn das die Chinesen wollen …« Klein zögerte.
Klein war sonst keiner, der zögerte. »Was ist, Fred? Wenn es etwas mit diesen Chemikalien zu tun hat, solltest du es mir lieber sagen.«
»Hat es nicht.« Klein zögerte wieder, überlegte, wie er es dem Präsidenten beibringen sollte.
Diesmal drängte ihn Castilla nicht, aber er runzelte verwundert die Stirn. Was brachte den sonst so unerschütterlichen Leiter von Covert-One aus der Fassung? Schließlich begann Klein: »Es gibt da in einem chinesischen Straflager einen alten Mann, der behauptet, Amerikaner zu sein. Er sagt, dass er sich seit Chiang Kaisheks Niederlage 1949 in Haft befindet.« Präsident Castilla nickte ernst. »Nach dem Zweiten
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