Der Altman-Code
Menschenrechtsabkommen zu verhindern suchte. Wei sabotierte es, und – schlimmer noch – es war nur Teil seines Verrats. Wei versuchte sogar, mit den Vereinigten Staaten einen Konflikt von solchen Ausmaßen heraufzubeschwören, dass die Uhr auf die Zeit des Kalten Krieges zurückgestellt würde … auf den Bau neuer Massenvernichtungswaffen … auf gesellschaftliche Unterdrückungsmaßnahmen, die zu Katastrophen wie der Kulturrevolution führen könnten … auf ein isoliertes China, das in seiner recycelten Verbitterung schmoren würde.
Darauf zielte Wei ab, wurde Niu voller Abscheu und Besorgnis klar. Nicht die Gier nach Geld war sein Motiv, sondern die Gier nach Macht.
Als am Hintereingang seines Arbeitszimmers ein leises Klopfen ertönte, eilte die Eule mit einer Behändigkeit darauf zu, die in krassem Gegensatz zu seinen sechzig Jahren stand. Er schloss die Tür auf, um Major Pan einzulassen.
»Kommen Sie herein. Nur herein.« Ungeduldig bedeutete er dem Geheimdienstmann, vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen.
Nervös wie ein ängstlicher Vogel, bereit, jeden Moment aufzufliegen, ließ der Major seinen rundlichen Körper auf den Holzstuhl nieder. Aufforderungen, mitten in der Nacht von Shanghai nach Beijing zu kommen, machten Pan immer nervös. Vor allem, wenn eine solche Aufforderung von einem Mitglied des Ständigen Ausschusses ausging.
Niu begann wieder auf und ab zu gehen. »Sind Sie in der Angelegenheit mit diesem amerikanischen Agenten und der Dowager Empress vorangekommen?«
»Nicht viel, Herr Niu.« Pan verdrehte den Hals, um Nius Wanderung durch das Zimmer zu folgen. »Der Sturm hat sich gelegt, ohne nennenswerte Spuren zu hinterlassen. Wir mussten Li Aorong wieder nach Hause schicken. Er behauptet weiterhin, nichts über die geschäftlichen Unternehmungen seines Schwiegersohnes zu wissen, oder wohin er und seine Tochter verschwunden sein könnten.« Niu blieb stehen und sah den Major an. »Sie mussten ihn freilassen? Warum? Wenn es sich nur um eine juristische Formalität handelt, kann ich …«
»Keine juristische Formalität.«
»Was dann?« Pan wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich glaube, General Chu musste sich der Frage stellen, inwieweit es rechtens war, Li festzuhalten, ohne ihn zu verhaften.«
»Eine Routinemaßnahme in einer Frage der nationalen Sicherheit wurde infrage gestellt? Eine Maßnahme General Chus? Das ist doch ein Unding. Von wem?«
»Ich glaube, vom Zentralkomitee.« Niu runzelte die Stirn. General Chu war bei dem Zentralkomitee angeeckt. Das war unerfreulich. Trotzdem hätte ihn der General darüber in Kenntnis setzen sollen.
Jetzt musste Niu auch den General scharf im Auge behalten, um zu sehen, wem gegenüber er loyal war.
Niu unterdrückte seine Wut und Frustration, als er dem Major seine Überlegungen auseinander setzte. Er hatte vorübergehend nicht berücksichtigt, dass Pan sich in einer Angelegenheit, die nicht direkt seiner offiziellen Zuständigkeit unterlag, möglichst nicht auf eine bestimmte Position festlegen wollte. Er sicherte sich ab, was mit ein Grund war, weshalb er sich so lange auf seinem Posten im Ministerium für öffentliche Sicherheit hatte halten können.
Aber für solche Finessen hatte Niu jetzt keine Zeit mehr. Mittwochmorgens würde die Empress irakische Gewässer erreichen. Es war bereits nach Sonntag Mitternacht. »Das heißt also – Wei Gaofan?«, fragte er ganz direkt. »Ich kenne meine Kollegen, Pan. Sagen Sie es mir.
Es bleibt unter uns.« Pan zögerte. Schließlich sagte er vorsichtig: »Ich glaube, das könnte der Name sein, den General Chu angedeutet hat.« In seine Stimme schlich sich ein Anflug von Hoffnung, als er fortfuhr: »Soll ich Li Aorong noch einmal festnehmen, Herr? Ich könnte ihn unter Hausarrest stellen. Wenigstens wüssten wir dann, wo er sich aufhält.«
»Nein!«, sagte Niu sofort, um jedoch weniger hitzig hinzuzufügen: »Das würde zu nichts führen.« Das Letzte, was Niu wollte, war, Wei zu warnen, dass er ihn verdächtigte, oder Pan gegenüber durchblicken zu lassen, dass es sich hier um mehr als eine simple Spionageabwehrmaßnahme handelte. »Fahren Sie bis auf Weiteres lediglich mit seiner Observierung fort, Major Pan. Sie behalten ihn doch weiterhin im Auge, oder?« Pans Blick blieb wachsam auf Niu geheftet, als er langsam nickte.
Das Nicken war so unmerklich, dass Niu den Eindruck gewann, der Major hoffte, es würde übersehen. Niu deutete es dahingehend, dass Wei Gaofan mehr Druck auf General Chu ausgeübt
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