Der Altman-Code
oben frisiert, und niemand konnte sich ihren körperlichen Reizen entziehen, sodass sich davon ausgehen ließ, dass ihr Opfer – Ralph McDermid – hinreichend abgelenkt würde, um sie nicht wiederzuerkennen.
Sie nahm sich ein Glas Champagner von einem vorbeischwebenden Tablett und steuerte auf den einzigen Gast zu, den sie kannte – einen leitenden Angestellten einer britischen Firma, die MI6 als Tarnung diente.
Er lächelte sie an. »Sind Sie dienstlich oder zum Vergnügen hier?«
»Besteht da denn ein Unterschied, Mal?«
»Ein ganz gewaltiger sogar. Wenn Sie zum Vergnügen hier sind, würde ich Ihnen Avancen machen.«
»Wie reizend«, erwiderte sie lächelnd. »Ein andermal.« Er seufzte geknickt. »Dann bin ich also heute Abend nur Ihr Zuhälter. Schade. Aber gut – wen möchten Sie kennen lernen? Und was ist übrigens Ihre Tarnung?« Sie sagte es ihm, worauf er sie, von unzähligen Blicken begleitet, herumführte. McDermid war rasch auf sie aufmerksam geworden, und er schaute interessiert herüber.
Sie bedachte ihn mit einem kessen Lächeln, unterhielt sich aber weiter mit einer älteren Chinesin, die einen hohen Posten in der Stadtverwaltung bekleidete.
»Wären Sie so freundlich, mich Ihrer bezaubernden Freundin vorzustellen, Madam Sun?« McDermid war lautlos hinter Randi aufgetaucht und berührte sie am Arm, als er Madame Sun ansprach.
Die ältere Frau bedachte ihn mit einem nachsichtigen Lächeln, während sie Randi warnte: »Seien Sie auf der Hut vor diesem Herrn, meine Liebe. Er ist ein rechter Charmeur.«
»Sein Ruf eilt Mr. McDermid voran«, sagte Randi.
»Dann überlasse ich es Ihnen selbst, sich bekannt zu machen.«
McDermid verneigte sich mit einem höflichen Abschiedsgruß vor Madame Sun. Als er seine Aufmerksamkeit wieder Randi zuwandte, sah sie kurz einen Schatten über seine Augen huschen, als hätte ihn etwas stutzen lassen.
Um ihr Gesicht zu verändern, spitzte sie die Lippen.
»Ihnen eilt ein bemerkenswerter Ruf voraus, Ralph McDermid. Darf ich Sie Ralph nennen?« Der Schatten verflog, und der Lüstling kehrte zurück.
Vermutlich eine Folge ihres astreinen Amerikanisch, des freizügigen Kleides und des ganz und gar unasiatischen Gesichts.
McDermid lächelte. »Und was für ein Ruf wäre das, meine Teuerste?«
»Dass Ralph McDermid in jeder Hinsicht ein mächtiger Mann ist.« Die Koketterie, die in dieser Bemerkung einer atemberaubenden Frau lag, ließ sogar Ralph McDermid eine Augenbraue hochziehen, wenn auch nicht sehr hoch. »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Joyce Ray. Ich arbeite für Imperial Import-Export, San Francisco.«
»Oder arbeiten die für Sie?«
»Noch nicht.« McDermid lachte. »Eine ehrgeizige Frau. Nun, Joyce Ray, Sie gefallen mir. Sollen wir das Büffet links liegen lassen und uns eine Sitzgelegenheit suchen? Vielleicht im Freien?«
»Ich habe Hunger .« Randi verlieh der Bemerkung das nötige Maß an Doppeldeutigkeit und stellte prompt fest, wie sich McDermids Hals über dem Kragen seines Hemds leicht rötete. Er hatte angebissen.
»Dann wollen wir mal.« Er hielt ihr seinen Arm hin.
Sie gingen zum Büffet und zogen sich mit ihren Tellern in eine abgeschiedene Ecke der Terrasse zurück. Er erzählte ihr einige ausgesuchte Anekdoten über die Altman Group und erfuhr im Gegenzug, dass Imperial eine Großhandelsfirma mit Kunden in allen größeren Städten Amerikas und mit Niederlassungen rund um die Welt war. Außerdem, dass sie der Firma als Vizepräsidentin vorstand.
Sie kamen blendend miteinander aus, und sie arbeitete bereits darauf hin, ihm Informationen zu entlocken, als er plötzlich erstarrte. Unter seinem Smoking kam es zu einem schwachen Vibrieren. Sein Handy.
»Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden …« Kein Lächeln. Keine Nettigkeiten.
Sie unternahm keinen Versuch, ihm zu folgen, als er an Hibiskus-und Jasminsträuchern vorbei in den Garten hinausging. Viel zu riskant und auffällig. Außerdem hätte es nichts gebracht.
Keine halbe Minute später war er wieder zurück. »Ich muss leider weg. Aber wir werden das nachholen, ja? Ich rufe Sie in der Firma an.« Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sich bereits zum Gehen gewandt. Sie wartete, bis er zur Tür hinaus war.
Dann folgte sie ihm, zunächst zu Fuß, dann im Auto, immer im nötigen Abstand. Schließlich fuhr er in die Tiefgarage seines Büros.
Nachdem sie einige Minuten hatte verstreichen lassen, parkte sie in der Garage sechs Autos weiter und beobachtete, wie er, mit
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