Der Altman-Code
Sie hat mich hereingelegt.« Wei atmete scharf ein. »Und das Dokument von Flying Dragon?«
»Befindet sich noch in Yus Besitz. Yu hat es gar nicht verbrannt.« Er schilderte den genauen Hergang.
Wei ließ sich in seinen Schreibtischsessel sinken. Sein Magen krampfte sich zusammen, aber seine Stimme blieb fest. »Wo sind sie?«
»In Dazu. Ich bin bereits von Chongqing auf dem Weg dorthin.«
»Was machen sie?« Feng erzählte ihm von Li Kuonyis Anruf bei Ralph McDermid und von ihrer Abmachung. »In spätestens achtundvierzig Stunden habe ich mir Yu, Li und das Dokument geschnappt.«
»Sind Sie da sicher?«
»Es wäre wohl kaum gut für uns, wenn ich die Sache nicht realistisch sähe.« Fengs Stimme nahm wieder ihr übliches rauchiges Timbre an. Die jüngste Wendung der Dinge hatte ihn gewaltig verunsichert, aber sein altes Selbstvertrauen kehrte bereits zurück. In all den Jahren, die Wei den ehemaligen Söldner für sich hatte arbeiten lassen, hatte er kein einziges Mal erlebt, dass Feng sein Selbstvertrauen im Stich gelassen hatte. Wenn überhaupt etwas, hatte der Mann eher zu viel davon. Aber das war hier nicht irgendein x-beliebiges Problem. Wegen seiner politischen Tragweite hätte es die meisten Sicherheitsexperten überfordert.
Feng war ihm gegenüber immer loyal gewesen, selbst dann, wenn er beauftragt worden war, für andere zu arbeiten, um ihm Informationen zu beschaffen. Andererseits hatte Feng stets davon profitiert, wenn Wei in immer höhere Regierungsämter aufgestiegen war. Yu Yongfu hätte nie so viel für Feng tun können, wie Wei das möglich war. Ebenso wenig konnte das ein Amerikaner, auch kein Ralph McDermid. Für einen ehemaligen Söldner wie Feng war es eine Ehre, so eng mit einem Mitglied des Ständigen Ausschusses zusammenzuarbeiten; außerdem war sein Gehalt mehr als großzügig, zumal ihn auch andere für seine Dienste bezahlten. Wenn Wei Generalsekretär würde, wäre auch Fengs Zukunft gesichert. Sie waren aneinander gekettet, zwei ehrgeizige Talente, die sich gegenseitig brauchten.
»Benötigen Sie in Dazu Hilfe?«, fragte Wei. »Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, den einsamen Wolf zu spielen.« Feng zögerte. »Falls Sie in der Gegend einen VBA-Offizier haben, dem man trauen kann, könnte seine Anwesenheit zusammen mit einer VBA-Einheit nicht schaden, sollten uns durch einen dummen Zufall die lokalen Behörden dazwischenfunken.«
»Ich werde mich darum kümmern. Und, Feng, denken Sie daran, Li Kuonyi ist mit allen Wassern gewaschen.
Eine gefährliche Gegnerin.«
»Es besteht keine Notwendigkeit, mich zu beleidigen, Herr.« Das waren eindeutig harte Worte von einem Untergebenen, aber Wei akzeptierte sie mit einem verständnisvollen Lächeln, als er auflegte. Feng war eindeutig wieder der Alte. Wie den Wolf trieb ihn der Hunger, und er gierte nach den zwei Leuten, die ihn wie einen blutigen Anfänger hatten aussehen lassen. Jetzt war er nur umso fester entschlossen, das verloren gegangene Dokument wiederzubeschaffen.
Wei blickte durch das Fenster in den Garten hinaus.
Die bösen Vorahnungen ließen ihn nicht los. Er wurde mehr und mehr in dem Verdacht bestärkt, dass bei Major Pans Nachforschungen über Colonel Smith und die Familie Li Aorongs mehr über die Empress herausgekommen war, als der Major in seinem Bericht an General Chu geschrieben oder als Niu Jianxing dem Generalsekretär des Ständigen Ausschusses mitgeteilt hatte. Zugleich scharte Niu in Politbüro und Zentralkomitee insgeheim Unterstützer um sich.
Es war eine unglückliche Wendung, dass er Feng Dun und Ralph McDermid ebenso würde eliminieren müssen wie Li Aorong, seine Tochter und ihren Mann, um alle Spuren einer Hardliner-Beteiligung an der Empress -Affäre zu verwischen.
Als Feng ihn ursprünglich auf McDermids Plan aufmerksam gemacht hatte, war er ihm wie ein Glücksfall erschienen. Doch jetzt witterte er Gefahr. Zeit seines Leben hatte er nur deshalb überlebt und reüssiert, weil er schnell und rücksichtslos gehandelt hatte, wenn es ihm sein Gefühl sagte.
Auf einer Leiter, die gegen eine Mauer in Zhongnanhai gelehnt stand, wurde ein Wartungstechniker mit der Reparatur eines der Scheinwerfer fertig, die Wei Gaofans Garten beleuchteten. Er hatte bei der Arbeit murmelnd über Wei Gaofans Verfolgungswahn geschimpft, weil dieser aus Angst vor einem Attentat keine unbeleuchteten Stellen in seinem Garten duldete.
Seine Ungehaltenheit über das wichtige Mitglied des Ständigen Ausschusses war stärker als
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