Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
der Bundestagskindergarten», erklärt mir Frl. Krise. Plötzlich hören wir Musik. Eigentlich hört man nur Bässe.
«Hä? Ist hier eine Disco?», frage ich und sehe dann aber gleich, dass es sich um eines dieser Strandbarcafés handelt, die es überall am Spreeufer gibt. Auf dem Uferstück, auf dem noch ein bisschen Gras wächst, stehen Liegestühle, in denen noch mehr Touristen liegen und sich bei bunten Getränken entspannen. Klar. Berliner Weiße rot und grün. Das trinken ja auch nur Hauptstadtbesucher, weil sie denken: Knorke, voll Berlin.
Das Café ist überfüllt, und es dauert eine Weile, bis Frl. Krise sich auf eine Zweisitzercouch stürzt, von der sich gerade ein spanisches Ehepaar erhoben hat. Ihre halbvollen Gläser stehen noch auf dem kleinen Glastisch, und die Kissen sind noch warm.
«Puhhhh, endlich sitzen», sagt sie und versucht den Kinderwagen möglichst elegant neben sich zu platzieren.
«Dieses Kindermobil ist ja echt der Hammer. Diese Farbe! Was soll das sein? Braun? Schlamm? Kotze?»
«Männe sucht schon einen besseren auf eBay.»
«Wieso? Willst du Estrel-Hotel adoptieren?»
«Nein! Bloß nicht! Aber man kann doch einer ehemaligen Schülerin mal unter die Arme greifen.»
Ich gucke mich in dem Café um. Es gibt rechts eine Bar und links einen offenen Grill. Aber was ist das???? Wer steht da hinterm Tresen? Das Gesicht kenne ich doch. Ich rutsche tiefer in meinen Sitz: «Du, apropos ehemalige Schüler, rate mal, wer da am Grill arbeitet? – Mann, Frl. Krise, jetzt dreh dich doch nicht so auffällig hin!»
Die Krise kichert: «Wer denn? Wer ist das denn? Welcher? Der mit dem Käppi?»
«Ja, das ist der Lieblingsschüler. Du erinnerst dich?»
«Ja, ja! Klar! DER ???? Den habe ich mir jetzt aber anders vorgestellt.»
Ich guck noch mal unauffällig zum Grill. «Ja, irgendwie … vielleicht ist er das auch gar nicht. Vielleicht ist es nur ein Look-alike.»
Frl. Krise stößt mich mit dem Ellenbogen in die Seite: «Geh doch mal hin und sag hallo!»
«Bist du verrückt??? Niemals! Voll peinlich! Und jetzt starr doch nicht so hin!»
Die Krise kichert wieder. Ich versuche sie mit «Die Schirmer und der Günther!» abzulenken. Es klappt.
«Schirmer? Günther? Was ist mit denen?», fragt sie sofort.
«Ich habe mich heute lange mit der Nolte unterhalten, und die hat gesagt, dass die beiden was miteinander hatten. Auf der Klassenfahrt nach Italien. Aber wer weiß, vielleicht ja dann auch noch danach.» Frl. Krise guckt auf die Spree und verarbeitet diese neue Information.
«Sag mal, Frl. Krise, du kennst die Schirmer ja nun schon länger …», sie nickt, ohne den Blick vom Wasser abzuwenden, «und die ist doch echt schlank. Hatte die schon immer so dicke Dinger?»
Jetzt dreht sie den Kopf wieder zu mir: «Was meinst du?»
«Na, die sind doch operiert, oder? Man kann doch nicht so dünn sein und dann so ’n dicken Busen haben.»
«Wieso nicht?»
«Hallo, Frl. Krise … guck MICH mal an. Ich bin ja mindestens auch so schlank wie die Schirmer, und guckstu hier – die Proportionen stimmen. Dünn – kleiner Busen. Aber bei der … voll das Holz vor der Hütte.»
«Höre ich da Neid?»
«Auf keinen! Niemals! Ich will doch nicht mit so viel Masse da vorne rumrennen … tut doch voll weh beim Joggen.»
«Da braucht man nur den richtigen BH », erklärt mir die Krise und betrachtet den Hauptbahnhof auf der anderen Uferseite.
«Nee, Frau Freitag, also ich glaube nicht, dass die Implantate hat. Und erinnere dich mal an Jamie Lee Curtis. Die ist auch sehr, sehr schlank und hat einen großen Busen.»
«Jamie Lee Curtis ist doch ein biologischer Mann.»
Jetzt guckt sie mich leicht verwirrt an: «Und deshalb der große Busen, oder was?»
Wir lassen das Thema fallen. Schweigen kurz und merken plötzlich beide gleichzeitig, dass wir direkt unter den Boxen des Cafés sitzen. Permanent hämmert da ein stumpfer Technosound raus. Frl. Krise guckt zu den Boxen: «Boahhh, ist das laut.»
«Techno. Voll schlimm. Kann man auch nur den Touris vorsetzen. Brauchen die anscheinend – Berliner Weiße grün und Techno – dit is Berlin, wa?»
«Zum Glück sind wir ja Lehrerinnen. Ich glaube, keine andere Berufsgruppe kann laute Nebengeräusche so gut ausblenden wie wir.» Und damit hat das Fräulein mal wieder recht, denn nach einer Weile höre ich das Gehämmer schon gar nicht mehr.
«Also, jedenfalls ist mir die Schirmer nicht koscher. Frl. Krise, ich sag dir, dieses ganze Geheule, das
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