Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
heute, wa?»
« NEIN ! Du musst so sagen: ‹Aboooo, voll krass heiß heute, ich schwör!› Ich frag dich jetzt was, und du antwortest!»
«Okay, frag!»
«Hast du eigentlich noch enge Verwandte in deinem Heimatdorf in der Türkei?»
«Tschüüüüch! Sind alle nach Deutschland gezogen, ich schwör!»
«Sehr schön! Siehste, geht doch! Aber benutze keine Artikel und keine Präpositionen: Sag: ‹Sind alle Deutschland!› Sprich einfach genau wie die Jugendlichen, die hier bei dir einkaufen!»
«Ja, jut. Dit muss ick aba noch üben, Frl. Krise.»
«Mach das! Du wirst sehen, das wird Wunder bei der Schirmer wirken!»
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Die Krise ist total eifersüchtig auf die Schirmer. Gibt dem Onkel Ali Tipps, wie der sich bei ihr unbeliebt machen kann. Tzzz. Falls die etwas mit Altmanns Tod zu tun hat, dann ist doch Onkel Ali der Einzige, dem sie das anvertrauen würde. Dafür haben wir die ganze Nummer doch eingefädelt!
Die Krise denkt einfach nicht mit. Nur noch Kinderwagen und Onkel Ali im Kopf, dabei müssen wir uns langsam mal wieder mit dem Altmann beschäftigen.
Wo ist die Krise überhaupt? Ist doch Mittagspause. Normalerweise ist sie immer die Erste, die ins Lehrerzimmer kommt.
«Monika, weißt du, wo Frl. Krise ist?» Frau Nolte steht vorm Schwarzen Brett. «Keine Ahnung. Wo soll sie denn sein?»
«Na, das frag ich DICH doch.»
«Die Krise hat Hofaufsicht», mischt sich der Pommer ein. Frau Nolte dreht sich um: «Peter, du doch auch, oder?»
«Ah, stimmt.» Pommer versucht beiläufig zu klingen, erhebt sich gemächlich von seinem Stuhl und schleicht zur Tür. Monika Nolte guckt mich an. Wir sagen nichts, denken aber das Gleiche. Der Pommer ist ein Aufsichtenschwänzer. Ich bin das genaue Gegenteil. Wenn ich meine Aufsicht mal zu spät anfange, weil ich noch nach dem Unterricht mit einem Schüler spreche, dann male ich mir immer aus, dass gerade dann etwas ganz Schreckliches passiert. Etwas, das durch meine Aufsicht hätte verhindert werden können. Eine Massenschlägerei, ein Diebstahl, ein Attentat, ein Vandalismus oder etwas noch Schlimmeres. Aber dem Pommer scheinen solche Gedanken fremd zu sein.
«Mahlzeit, ihr Lieben.» Die Schirmer. Wie entspannt die aussieht. Und seit Tagen rennt sie mit dieser guten Laune durch die Gegend. Ich könnte kotzen. Glückliche Menschen sind echt schwer zu ertragen. Und Frischverliebte sind besonders schlimm. Die tun dann immer so aufmerksam und wollen jeden an ihrer guten Stimmung teilhaben lassen. Da ist mir eine gepflegte Depression wirklich lieber. Oh Mann, jetzt begrüßt sie die Nolte auch noch mit Küsschen. Mich begrüßt hier nie jemand mit Küsschen. Wäre ja auch noch schöner. Nicht mal Frl. Krise macht das.
«Moni, was machst du eigentlich zum Wandertag nächste Woche?», fragt die Schirmer und setzt sich auf den schwarzen Ledersessel, der in der Ecke vorm Fenster steht.
Oh Mist, Wandertag, den habe ich total vergessen.
«Am liebsten würde ich ja mit meinen in die Uckermark fahren.»
«In die Uckermark? Mit der Siebten?», fragt Wernitzki. Wie lange steht der denn schon in der Tür?
«Ja, das ist sooo wunderschön dort. Ich war letztes Wochenende wieder draußen. Wir haben uns doch da ein Häuschen gekauft.» Die Nolte. Natürlich hat sie sich ein Häuschen gekauft. Wenn nicht sie – wer dann?
«Du kannst doch nicht mit deiner Klasse so eine Höllentour machen. Es heißt schließlich nicht Wanderwoche. Sondern Wandertag.»
«Ha, ha, sehr witzig, Hannes. Ich weiß ja selbst, dass das ein bisschen zu weit ist. Aber die Kinder kennen das Umland gar nicht. Die kommen doch nie dorthin.» An Monika Nolte ist echt eine Mutter Teresa verlorengegangen. «Die wissen doch gar nicht, in was für einem schönen Land sie leben. Die meisten Schüler kennen nur Kreuzberg und Neukölln.»
«Na, und?» Hannes will provozieren, das kann ja spannend werden.
«Lieber Kollege Wernitzki, darf ich dich daran erinnern, dass wir Lehrer sind und einen Bildungsauftrag haben?»
«Also mein Auftrag lautet jedenfalls nicht, mit 28 Zwölfjährigen, die sich nicht benehmen können, in die Uckermark zu gondeln.»
Frau Nolte seufzt, dreht sich wieder zum Schwarzen Brett, nimmt einen Zettel ab und schmeißt ihn in den Papierkorb: «Ich fahre ja auch gar nicht hin. Ich hatte lediglich gesagt, dass ich das gerne machen würde. Wir gehen picknicken auf der Pfaueninsel.»
Pfaueninsel … das ist ja fast so weit wie die Uckermark, da endet der Wandertag ja auch erst nachmittags.
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