Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
Mist, ich weiß noch gar nicht, was ich mit meiner Klasse machen soll. Wernitzki setzt sich an den Computer.
«Hannes, kannst du mal schnell nachgucken, wie die Öffnungszeiten vom Spectrum sind?», frage ich. Das Spectrum gehört zum Technikmuseum, das ist hier gleich um die Ecke, da kann ich mich direkt am Eingang mit der Klasse treffen.
«Spectrum??? Frau Freitag!» Die Nolte guckt mich vorwurfsvoll an.
«Was denn? Ist doch voll gut dort. Da kann man sich vor solchen Zerrspiegeln fotografieren. Stehen die Kinder immer total drauf.»
«Frau Freitag, wir haben Juni! Da kannst du doch nicht mit deiner Klasse ins Museum gehen!»
«Warum nicht? Dort lernen die doch voll viel, für Physik ist das …»
«Die Kinder brauchen frische Luft und Auslauf», unterbricht mich die Nolte.
«Auslauf … Monika, Schüler sind doch keine Hunde.» Mischt sich jetzt Wernitzki wieder ein, den Blick immer noch starr auf den Bildschirm gerichtet. «Oh, Frau Freitag, das tut mir aber leid.» Jetzt dreht er sich auf seinem Bürostuhl zu mir und wartet auf meine Reaktion.
«Was denn?»
«Das Spectrum wird renoviert. Bis zum nächsten Herbst dicht. Da wirst du dir wohl was anderes überlegen müssen.»
Mist. Ich kann nicht schon wieder so einen Spaßkram mit denen machen. Wir waren im Winter Schlittschuh laufen und bowlen, und ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich mindestens an einem Wandertag im Jahr etwas Lehrreiches mit meiner Klasse veranstalte.
Hannes dreht sich wieder zum Computer und hackt in die Tasten: «Geht doch ins Kino. Im Sony Center läuft bestimmt was, das denen gefällt.»
«Hannes, hast du vergessen, dass es einen Konferenzbeschluss gibt, dass wir an Wandertagen nicht mit unseren Klassen ins Kino gehen sollen?» Die Nolte wieder. «Außerdem hat unsere Schule im Sony Center Hausverbot. Die Pommer-Klasse hat da doch letztes Jahr alles eingesaut mit Popcorn und den Kartenabreißer beleidigt.» Sie geht zur Kaffeemaschine und gießt den Rest dunkelbrauner Brühe, die schon seit der ersten Stunde dort steht, in den Ausguss. «Ich setz mal neuen Kaffee auf.»
«Hannes, kannst du mal schnell beim Reichstag gucken? Also bei der Kuppel? Ob das was kostet?» Da war ich selbst noch nie und meine Schüler wahrscheinlich auch nicht. Wir könnten da einmal hochlatschen, runtergucken und dann noch auf der Wiese vorm Reichstag Fußball spielen.
«Also hier steht, dass sich Schulklassen telefonisch anmelden sollen.» Ich springe sofort auf und stürze zum Telefon, bevor Wernitzki die Seite wieder schließt. Ich will diesen Scheißwandertag heute organisieren.
«Sag mir mal die Nummer! Ich rufe da gleich an.» Hannes diktiert mir Zahlen. «Danke.»
Mist, Warteschleife.
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Unter den großen Platanen auf dem Schulhof ist es angenehm schattig. Gut, dass da eine Bank steht. So eine Aufsicht in der Mittagspause zieht sich ganz schön, wenn man immer nur Runden drehen muss und sich nicht mal hinsetzen kann, um sein Brötchen zu essen. Die Cafeteria könnte sich auch mal was anderes einfallen lassen! Immer nur diese langweiligen Käse- und Wurstbrötchen. Ich hätte richtig Lust auf etwas Süßes.
Wo ist eigentlich der Pommer? Der hat doch Aufsicht am Hoftor! Aber der feine Herr hat es ja nicht nötig, pünktlich zu erscheinen. Und jetzt setzt sich auch noch Samira neben mich.
«Frl. Krise, haben wir nachher Deutsch?»
«Natürlich!»
«Ist doch voll heiß! Bekommen wir nicht hitzefrei?»
«Ganz bestimmt nicht! Zieh mal deine Jacke aus, dann wird dir gleich kühler!»
«Voll gemein! Alle kriegen hitzefrei, nur wir nicht!»
«Ja, dann bist du wohl an der falschen Schule!»
Wie das nervt! Beim ersten Sonnenstrahl geht es los: «Hitzefrei! Wir wollen hitzefrei! Können wir im Unterricht rausgehen?» Dabei sind es noch bestimmt sechs Wochen bis zu den Sommerferien.
Da kommt ja der Pommer endlich. Der denkt wohl auch, er ist was Besseres. Das müsste man der Schulleitung stecken, dass der absolut unzuverlässig bei der Aufsicht ist. Aber dazu ist man ja leider zu vornehm.
Und wie der jetzt am Tor hin und her geht. So, als ob er mindestens die Security am Bundeskanzleramt wäre. Dabei kommt bei uns höchstens mal ein Schüler reingeschlichen, der sich heimlich bei Leckerback eine Streuselschnecke geholt hat. Wenn überhaupt. Die Schlauen klettern doch sowieso gleich über den Zaun am Hinterausgang. Pommer! Elender Wichtigtuer. Irgendwie scheint der zu versuchen, jetzt der Platzhirsch des Kollegiums zu werden. Die Rolle
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