Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
dicken Eiswürfel in ihren Mund rutschen. «Aber man weisch, dasch der Mord nisch hiar passchiard isch.» Der Lieblingsschüler guckt verwirrt zu Frl. Krise. Die spuckt den Eiswürfel zurück ins Glas: «Der Mord muss woanders stattgefunden haben. Die Leiche muss irgendwie an die Treppe gebracht worden sein.»
Der Lieblingsschüler lehnt sich zurück: «Aha, is ja interessant … Da hat also jemand den toten Typen zur Treppe transportiert.»
«Du hast doch gesagt, dass du an dem Abend hier gearbeitet hast. Ist dir denn da irgendwas Verdächtiges aufgefallen?», frage ich und verkneife mir ein «Jede noch so kleine Kleinigkeit könnte uns weiterhelfen».
«Nö», sagt der Lieblingsschüler und schüttelt den Kopf, «aufgefallen ist mir nichts.»
«Aber irgendwie muss doch die Leiche an die Treppe gekommen sein. Mit dem Auto kann man nicht bis hierhin fahren. Ich frage mich, wie die das gemacht haben», sagt Frl. Krise.
«Die?»
«Ja, DIE , Frau Freitag, das müssen doch mehrere gewesen sein. Der Günther war ja nun kein Fliegengewicht. Den kann man nicht alleine transportieren.»
«Frl. Krise, meinst du, es gibt mehrere Mörder?»
«Na, wie würdest du denn den toten Altmann zur Treppe bringen? Ich würde den in einen Teppich wickeln und …»
Ich gucke noch mal zum Lieblingsschüler: «Ist hier an dem Abend nicht zufällig jemand mit einer Teppichrolle unter dem Arm vorbeigekommen – ungefähr 1 , 80 Meter lang?» Er grinst und schüttelt den Kopf. «Nee, echt nicht. Hier sind nur Spaziergänger oder Jogger und höchstens ein paar Fahrradfahrer.»
«Hm, das bringt uns auch nicht weiter.» Frl. Krise seufzt. «Himmel, ist das heiß heute! Warum steht hier eigentlich kein Sonnenschirm? Ich bekomme bestimmt gleich einen Sonnenbrand auf der Nase. Hätte ich doch einen Sonnenschutz auf! Meine Kappe oder den kleinen Strohhut aus Frankreich.»
«Mann, Frl. Krise, jetzt stell dich nicht so an! Sonst willst du doch immer braun werden!»
Der Lieblingsschüler atmet plötzlich tief ein und legt den Zeigefinger auf den Mund. «Ach, apropos Kappe! Da war zwar keiner mit einem Teppich an dem Abend, aber … ich hab nach meiner Schicht noch da drüben gesessen. Da waren schon alle weg. Ich bleibe eigentlich meistens am längsten. Ich muss immer noch eine rauchen, zum Runterkommen, bevor ich nach Hause fahre.»
Frl. Krise und ich gucken ihn an: «Ja, und dann?»
«Da kam jemand mit einem Fahrrad und so ’nem Anhänger. Erst habe ich mir gar nichts dabei gedacht. Solche Fahrräder fahren hier ja oft rum. Hinten sind dann immer fünf Kleinkinder drin. Ich konnte nicht erkennen, ob das ein Mann oder eine Frau war, aber ich hatte mich kurz gewundert, warum der oder die so langsam fuhr. Diese Familienväter mit ihren Babys hinten drin, die müssen nie so ackern. Derjenige hat nicht mal gemerkt, dass er sein Basecap hier vor dem Lokal verloren hat. Es war windig! Nach ein paar Minuten kam das Fahrrad wieder zurückgefahren, und diesmal in einem Affenzahn. Der Fahrer hat angehalten, die Mütze aufgehoben und aufgesetzt, dabei war die bestimmt ganz nass und dreckig. Dann hat es so doll angefangen zu regnen, dass ich auch abgehauen bin.»
«Mensch, vielleicht war das der Mörder!», sagt Frl. Krise.
«Oder die Mörderin», gebe ich zu bedenken. «Und die Kappe hat er bestimmt aufgehoben, weil sie ihn sonst hätte verraten können!»
«Das war bestimmt ein Mann. Keine Frau würde eine nasse, schmutzige Kopfbedeckung aufsetzen», widerspricht Frl. Krise. Sie setzt ihre Sonnenbrille auf und starrt den Lieblingsschüler erwartungsvoll an.
«Konntest du nicht erkennen, was in dem Anhänger war?»
Er schüttelt den Kopf: «Nee, sorry, da hab ich nicht drauf geachtet.»
«Und wie spät war es da genau?», fragt Frl. Krise und klopft auf ihre Uhr.
«Keine Ahnung, vielleicht eins oder zwei.»
«Hast du das der Polizei erzählt?», frage ich.
«Nein. Hab ich nicht.» Der Lieblingsschüler zündet sich noch eine Zigarette an: «Frau Freitag, ich halte nichts von der Polizei. Hat mich ja auch keiner gefragt.»
«Fahr doch nicht so schnell, Frl. Krise!» Die gesamte Wilhelmstraße versuche ich den Abstand zwischen Frl. Krises Hinterrad und mir nicht zu groß werden zu lassen. Die Ampel springt auf Rot. Endlich hält sie an.
«Was hältst du von deinem Lieblingsschüler?», fragt sie mich.
«Ich finde, der sieht immer noch sehr gut …»
«Frau Freitag, ich meine, was hältst du von seiner
Weitere Kostenlose Bücher