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Der Amboss der Sterne

Der Amboss der Sterne

Titel: Der Amboss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sich auf und zeigte auf die Stelle des Gangs, wo sie die Gestalt gesehen hatte. Martin ordnete an, den Gang zu erleuchten. Er fragte sich, warum Rosa das nicht schon getan hatte. Er prüfte die Wände. Nie schmutzig, nie staubig, denn die Wände säuberten sich im Schiff des Gesetzes selbst. Das hielten die Kinder für selbstverständlich. Die Wände zeigten keine Spuren.
    Rosa sagte: »Ich habe etwas vorbeistreifen sehen, als ich hier durchkam.«
    »Es war dunkel«, sagte Martin.
    Rosa fing verzweifelt wieder an zu weinen.
    Er sagte: »Du hättest die Lichter anmachen sollen und sehen, was es sein könnte.«
    »Wir glauben dir schon«, sagte Theresa, hielt Rosas Schulter fest und massierte sie mit den Fingern. »Aber warum hast du kein Licht gemacht?«
    »Ich hatte Angst! Ich wollte es nicht sehen, was immer es sein mochte… Ich wollte nicht, daß es mich sähe.«
    »Wie groß war es?« fragte Martin. Gefährlich, gefährlich.
    Rosa streckte den Arm zur Decke. »Es füllte diesen Teil des Gangs.« Der Gang war zwei Meter breit und mit blauen Kreisen markiert, wo man sich Wohnungen ausgesucht hatte und vom Schiff auf Verlangen Türen gemacht worden waren.
    Das ganze Schiff hatte sich völlig auf Verlangsamung eingestellt. Die Kreise, welche einst Türen in Decke und Boden bezeichnet hatten, waren vom Schiff absorbiert worden. Nur Kreise an den Wänden gab es noch. Vielleicht hatte Rosa irgendeine Funktion des Schiffs falsch verstanden oder etwas gesehen, das niemand sonst bemerkt hatte.
    Martin versuchte das diplomatisch auszudrücken. »Das Schiff macht gewöhnlich sauber oder verändert sich, wenn wir nicht hinsehen. Vielleicht hat es durch Zufall erlaubt, daß du etwas gesehen hast.«
    »Es war kein Teil des Schiffs… Ich glaube nicht, daß es das war«, sagte Rosa. Sie hatte ihren hysterischen Ton verloren. Ihr Gesicht wirkte jetzt ruhiger, und sie schien bereit zu kooperieren und ihnen zu helfen, das Geheimnis zu lösen.
    Theresa fragte: »War es Metall oder etwas anderes?«
    »Es war wie ein Schatten. Ich habe keine Details gesehen. Ich weiß nicht, was es gewesen sein könnte. Es erschien mir lebendig.« Rosa verschränkte die Arme.
    Martin sah sie noch vor sich, wie sie gewesen war, als die Reise anfing: sechzehn Jahre alt und noch nicht voll erwachsen, schlanker, von einer derben Attraktivität, die jetzt zu einer verwundbaren Fülle geworden war. Er fragte sich wieder, warum die Mütter sie erwählt hatten. Sie hatten so viele andere abgelehnt, viele, die Martin für eine gute Wahl gehalten hatte. Sie schluckte hart und blickte mit ihren großen schwarzen Augen immer verlorener. »Vielleicht war es ein Teil des Schiffs. Vielleicht gehört es nicht hierher.«
    »Stop!« sagte Theresa streng. Martin war ihr dankbar, daß sie einen kritischen Tonfall benutzte, den er sich nicht anzuschlagen getraute. »Wir sollten jetzt zu Folgerungen kommen.«
    »Ich habe es gesehen«, sagte Rosa mit ablehnender Sturheit.
    »Das stellen wir nicht in Frage«, versicherte Theresa, obwohl Martin wie sie vom Gegenteil überzeugt war. »Wir haben jüngst alle unter Streß gestanden, und…«
    Rosa zog sich wieder in ihr Inneres zurück.
    Sie sagte: »Ich habe es gesehen. Ich denke, das könnte wichtig sein.«
    »Gut«, erwiderte Martin. »Aber vorerst und bis wir mehr wissen, möchte ich, daß hierüber nicht gesprochen wird.«
    »Aber warum denn?« fragte Rosa. Martin erkannte nun ihr Problem deutlicher. Sie würde auf seine nächste Bitte nicht gut reagieren; aber er sah keinen Weg, der daran vorbei führte.
    »Bitte, sprich nicht darüber«, bat er.
    Rosa kniff die Lippen zusammen, machte Augen, die zu Schlitzen verengt waren, und ein trotziges Gesicht. Aber sie sagte nichts mehr. Dann fragte sie wie ein kleines Mädchen, das Klassenzimmer verlassen zu dürfen: »Kann ich gehen?«

Martin sagte: »Du kannst gehen.« Rosa ging durch den Gang zum Zentralkorridor, ohne zurückzublicken.
    Martin holte tief Luft, hielt den Atem an und beobachtete sie wie ein Ziel. Dann atmete er aus, als sie zu weit entfernt war, um das zu hören.
    »Mein Gott!«
    »Nein, das denke ich nicht«, sage Theresa. Sie grinste. Martin befühlte noch einmal die Wände, als ob dort noch ein Kennzeichen geblieben wäre, eine Spur von Rosas Schatten.
    »Ich glaube nicht, daß dort wirklich etwas war«, sagte er und bemühte sich, sehr vernünftig und vorsichtig zu wirken.
    »Natürlich nicht«, sagte Theresa.
    »Aber wir sollten nicht allzu sicher sein«,

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