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Der Amerikaner - The American

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Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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dann hob der Wachtposten sein Funkgerät an die Lippen.
    Nachdem er den Jeep oberflächlich inspiziert hatte, gab das Militärfahrzeug den Weg frei, der zu einer kleinen, auf drei Seiten von Felswänden eingeschlossenen Lichtung führte, wo man halbwegs vor dem eiskalten Wind geschützt war. Dominiert wurde sie von einem riesigen Zelt, neben dem sich ein vergleichsweise klein wirkendes Kommandofahrzeug und ein Generator befanden. Vor dem Zelt standen zwei weitere Taliban-Kämpfer Wache, doch sonst war niemand zu sehen.
    Al-Adel und March stiegen aus dem Geländewagen und näherten sich dem Zelt, wobei sie sorgfältig darauf achteten, dass ihre Hände zu sehen waren. Einer der beiden Wachtposten filzte sie und nahm al-Adel beide Waffen ab, während sein Kamerad
das Gewehr auf die beiden Neuankömmlinge richtete. Es folgte erneut ein kurzer Wortwechsel über Funk, dann durften sie das Zelt betreten.
     
     
    Nachdem sie zwanzig Minuten gegangen waren, hatten sie die Stelle erreicht, wo sie der Wagen der Botschaft abholen sollte. Direkt gegenüber befand sich ein enger Durchgang, vor dem kürzlich eine Straßenlaterne aufgestellt worden war, die die finstere Passage aber nur für ein paar Schritte erhellte. Der Abstand zwischen den Häuserwänden betrug keine anderthalb Meter, und der Gestank des herumliegenden Abfalls wurde nur durch den zwischen den Gebäuden hindurchpfeifenden Wind gemildert.
    In der schützenden Dunkelheit zog Kealey die beiden Decken aus seinem Rucksack, faltete eine zweimal und legte sie auf den Boden, damit Kharmai sich daraufsetzen konnte. Dann wickelte er die zweite Decke um ihren Oberkörper und beobachtete zufrieden, wie sie den Wollstoff enger um sich zog. Er selbst setzte sich zwei Schritte weiter auf das Pflaster, beobachtete die Straße vor dem Durchgang und versuchte, die Kälte zu ignorieren.
    Nach ein paar Minuten drehte er sich zu Kharmai um. Ihre trotz der Dunkelheit deutlich erkennbaren grünen Augen beobachteten ihn. Sie zitterte, die Decke war von ihren Schultern geglitten. Er rutschte zu ihr, wickelte sie fester um ihren Körper und zog sie dicht an sich. Nach einem Augenblick entspannte sie sich und legte den Kopf an seine Schulter.
    »Du musst mir eine Frage beantworten, Ryan. Hast du etwas empfunden, als du ihn erschossen hast?«
    »Was meinst du?«
    »Fällt es dir schwer, jemanden zu töten?«

    »Du lügst«, murmelte sie. »Ich habe dein Gesicht gesehen, als du abgedrückt hast … Es zeigte keine Regung.«
    Ihre Augenlider wurden zunehmend schwer, und sie schmiegte sich fester an ihn. »Wie hieß dieses junge Mädchen, Ryan?«
    Sein Körper verkrampfte sich. Er wollte sich nicht daran erinnern, erst recht nicht an das, was dem Mädchen angetan worden war. Er hatte so lange gebraucht, es zu vergessen.
    »Es ist nicht richtig. Es darf nicht sein, dass du nichts empfindest, wenn du jemanden tötest.« Dann, nach einer langen Pause: »Dieses Mädchen in Bosnien. Wie hieß es?«
    »Safiya«, antwortete er schließlich. Da sie den Kopf gesenkt hatte, konnte er ihr Gesicht nicht sehen. Sie konnte nicht wissen, wie sehr er gelitten hatte. »Ihr Name war Safiya.«
    »Danke.« Ihre Stimme war so leise, dass er sie fast nicht verstanden hätte.
    Wieder schwieg er, und nach ein paar Minuten hörte er, wie ihre sanften Atemzüge gleichmäßiger wurden. Das schwarze Haar war ihr ins Gesicht gefallen, nur ihre Nasenspitze schaute daraus hervor. Er zog sie noch dichter an sich heran und wandte das Gesicht vom Eingang des Durchgangs ab, als ein Polizeiwagen vorbeiraste.
    Er wünschte, die Stunden würden schnell verrinnen, während er darauf wartete, dass der Anblick des jungen Mädchens mit dem geschundenen Körper aus seinem Kopf wich.
     
    Die Luft in dem Zelt war warm und stickig, was auf einen voll aufgedrehten Raumheizkörper und die Körperwärme etlicher Männer zurückging, die dem Geruch nach wochenlang nicht gebadet hatten. Neben den Schlafstellen war durch eine fadenscheinige, an einem Holzpfahl befestigte Decke etwas wie ein
Raum abgetrennt, doch da der Vorhang nicht ganz zugezogen war, sah March auf einem Holztisch Kommunikationselektronik, vor der ein Mann mit einem Headset saß. Überwachung des Funknetzes, dachte er. Vor vielen Jahren hatte er den gleichen Job gehabt.
    Hinter dem Vorhang einer anderen abgeschirmten Ecke kamen zwei Männer hervor, von denen einer mit einem Gewehr bewaffnet war und March genau im Auge behielt. Der andere trug einen dicken Wollpullover über

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