Der Amerikaner - The American
Beweise dafür, dass Vanderveen etliche dieser Aktionen persönlich geleitet hat. Man schätzt, dass er für die Zwangsumsiedlung von fast zwei Millionen Schwarzen zuständig war.«
Kharmai dachte einen Augenblick nach. »Im letzten Jahr habe ich an der George Washington University ein Seminar besucht, bei dem wir uns ziemlich eingehend mit der Apartheid und ihrer Rolle in der südafrikanischen Geschichte befasst haben. Ich kann mich nicht erinnern, den Namen dieses Mannes irgendwo gelesen zu haben.«
Martins nippte an seinem Kaffee und nickte bedächtig. »Das wundert mich nicht. Francis Vanderveen hat seine Arbeit sehr effektiv durchgeführt, aber seine Methoden waren der Regierung peinlich, selbst einer so rücksichtslosen Regierung wie der Malans. Bei der Umsetzung des Gesetzes zur Zwangsdeportation ließ er die Bulldozer manchmal schon rollen, wenn die Häuser noch gar nicht geräumt waren. Schlimmer noch, es gab Gerüchte, er habe 1960 beim Massaker von Sharpeville die Hand im Spiel gehabt.«
»Davon habe ich gehört«, sagte Kharmai. »Die Sicherheitskräfte haben vor einer Polizeistation das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Später gaben die Polizisten zu Protokoll, sie hätten Schüsse gehört, aber bei den Toten wurden keine Waffen gefunden.«
»Genau. Neunundsechzig Schwarze wurden getötet, dazu kamen
weit über hundert Verletzte. Niemand war töricht genug, Vanderveen direkt zu beschuldigen, aber alle wussten, wer den Feuerbefehl gegeben hatte. Es ist unglaublich, aber Vanderveens Karriere hat unter diesem Vorfall kein bisschen gelitten. 1964 wurde er sogar zum Brigadier General befördert. In diesem Jahr wurde auch sein Sohn geboren.«
Kealey lehnte sich zurück. Endlich kommen wir zur Sache.
»William Paulin war das zweite Kind von Francis und Julienne Vanderveen. Das ältere, Madeline Jane, kam 1961 zur Welt. Da der General meistens nicht zu Hause war, lebten die Kinder vorwiegend allein mit ihrer Mutter, im Haus der Familie in Piet Retief, einem Nest im Assegai-Tal. Julienne war eine sehr schöne Frau, die ihr Leben ganz ihren Kindern widmete.« Martins schwieg kurz. »Was ich Ihnen jetzt über die folgenden Ereignisse erzähle, beruht größtenteils auf Mutmaßungen, aber ich habe ja bereits gesagt, wie schwierig es war, verlässliche Zeitzeugen zu finden. Die Unterlagen über Intelligenztests von Vanderveen junior haben Sie schon gesehen. Mit elf Jahren erreichte er hundertvierundachtzig Punkte beim Stanford-Binet-Test, beim Weschler- und Slosson-Intelligenztest waren die Resultate genauso herausragend. Bei seiner Schwester lagen die Dinge anders, sie war eher für ihre … Neigung zu promiskuitivem Verhalten bekannt. Im Jahr 1975 gingen Gerüchte in dem Dorf um, sie treffe sich mit einem jungen Schwarzen Anfang zwanzig, der auf einer nahe gelegenen Farm arbeitete.«
Kharmai rechnete schnell. »Da war sie vierzehn …«
Martins nickte. »Aber es dauerte nicht lange, Madeline starb noch im selben Jahr. Offenbar ein tödlicher Sturz in den Bergen, in der Nähe ihres Hauses.«
Kealey glaubte zu wissen, worauf das hinauslief. »Steckte der General dahinter?«
Martins schüttelte den Kopf. »Nein. Falls die Gerüchte stimmten, hätte er natürlich einen guten Grund gehabt, aber Francis Vanderveen hielt sich am Todestag seiner Tochter hundert Kilometer entfernt auf, in der Provinz Natal, wo er die Zerstörung eines Dorfs überwachte. Er war nicht dafür verantwortlich.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. »Sie wollen doch nicht etwa nahe legen, dass William …«, sagte Kharmai.
Der Botschafter hob eine Hand. »Ich halte mich ausschließlich an Fakten.«
»Aber er war so jung. Irgendwie scheint das Ganze nicht stimmig.«
»Stimmig ist daran gar nichts«, bestätigte Martins. »Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Einen Monat nach der Beerdigung des Mädchens wurde der junge Schwarze vermisst, mit dem sie sich getroffen hatte. Eine Woche später wurde seine Leiche in den Hügeln am Ende des Tals gefunden. Der Körper war praktisch zerstückelt.«
»Und der Vater des Mädchens?«, fragte Kealey.
»War diesmal tausendeinhundert Kilometer weit weg und überwachte die Zusammenziehung von Truppen an der angolanischen Grenze.«
Wieder herrschte Stille, diesmal länger.
»Ich muss wohl kaum erwähnen, dass Julienne nach dem Verlust ihrer einzigen Tochter am Boden zerstört war, aber darauf komme ich in einem Augenblick zurück.« Der Botschafter suchte sich eine bequemere
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