Der Amerikaner - The American
war nur zu gern bereit, mit dem jungen Mann zu reden, der sie in meinem Auftrag befragen sollte. Und sie hat ihm das hier gegeben.«
Martins zog einen kleinen silbernen Schlüssel hervor, öffnete den Kasten und dreht ihn so, dass Kealey und Kharmai den Inhalt sehen konnten.
Kealey beugte sich vor, nahm das oberste Dokument heraus, entfaltete das vergilbte, rissige Blatt Papier und begann zu lesen.
Meine liebste Julienne,
wir haben uns nun in einem schlammigen Feld außerhalb von Novo Redondo eingegraben. Wenn du hier wärest, würdest du nicht mehr viel sehen, das an eine Armee erinnert. Dank unserer unschlüssigen Politiker haben wir mittlerweile kaum noch Munition oder Treibstoff. Meine Männer erhalten nur noch eine Mahlzeit pro Tag, wenn überhaupt. In all meinen Jahren als Soldat habe ich mich nicht so herabgewürdigt gefühlt wie jetzt.
Ein Mann von der amerikanischen CIA war bei uns. Er hat unsere Karten studiert und uns seine kluge Meinung wissen lassen. Ich habe ihm erklärt, wir bräuchten unbedingt Nachschub, aber er hat mir nur ins Gesicht gelacht und gesagt, wir kämpften für eine verlorene
Sache, eine Besetzung Angolas sei mittlerweile »politisch unklug«. Meine Antwort lautete, dass er anders empfinden würde, wenn er kämpfend hunderte von Kilometern zurückgelegt hätte, um sein Land zu schützen.
Ich sage dies nur dir gegenüber, Julie, aber ich glaube, dass wir die Amerikaner brauchen, wenn wir Luanda erreichen wollen. Und es geht um mehr als nur Nachschub. Vorster braucht die Amerikaner auch nach dem Krieg, und im Augenblick kann er sich die Finanzierung dieses Feldzugs nicht mehr leisten. Wenn die Amerikaner ihm ihre volle Unterstützung zusichern würden, sollte der Sieg unser sein, und dann könnte ich wieder dorthin zurückkehren, wo ich hingehöre - nach Hause.
Dass sie uns jetzt im Stich lassen, ist für mich ein ungeheurer Verrat.
Ich vermisse dich und William sehr.
In Liebe,
Francis
Nachdem Kealey den Brief gelesen hatte, reichte er ihn Kharmai. Dann griff er nach dem nächsten und überflog ihn schnell. Der Inhalt war ähnlich.
»Mein Gott«, sagte Kharmai nach einem Augenblick.
Der Botschafter räusperte sich dezent, und seine beiden Gäste blickten ihn an. »Ich muss wohl kaum betonen, dass die Unterstützung nie eintraf. Das Ganze war von vorn bis hinten eine geheime Operation der CIA, Washington war zu keinem Zeitpunkt involviert. Als der Kongress dahintergekommen war, wurde dem Ganzen schnell ein Ende gemacht. Am 18. Dezember 1975 stimmte der Senat dafür, alle amerikanische Hilfe für die Gegner der MPLA einzustellen, aber tatsächlich war der Schaden
bereits angerichtet. Als Vanderveens Truppen in Benguela angekommen waren, startete die MPLA eine massive Gegenoffensive, unterstützt von kubanischen Soldaten und sowjetischer Artillerie. Dagegen hatte Vanderveen sich mit unzuverlässigen Nachschubwegen und einer unschlüssigen Regierung in Pretoria herumzuschlagen. Die zu dieser Zeit an seine Frau geschriebenen Briefe klingen zunehmend verbittert, speziell dann, wenn es um die Amerikaner geht. Fünf Tage später wurde der Helikopter des Generals abgeschossen, nachdem er gerade in einem Camp südlich von Cubal gestartet war. Vanderveen und zwölf seiner Soldaten kamen bei dem Absturz ums Leben.«
»Unglaublich«, sagte Kharmai leise. Kealey schwieg. Er ahnte schon, was als Nächstes kommen würde.
Der Botschafter schwieg einen Augenblick, um seine Worte wirken zu lassen. »Es gab damals Probleme mit den Informationswegen«, fuhr er schließlich fort, »die eine Benachrichtigung unmöglich machten. So erfuhr seine Frau erst zwei Wochen später vom Tod ihres Mannes.Angesichts von Vanderveens Rang und Bedeutung hat es ihr der Verteidigungsminister persönlich mitgeteilt. Vermutlich war das zu viel für Julienne.Wie gesagt, der Tod ihrer Tochter hatte sie schon schwer mitgenommen. Der Verlust ihres Mannes muss ihr den Rest gegeben haben. Sie beging noch am selben Abend Selbstmord. Laut Mrs Poole wurde der junge William Vanderveen seitdem nicht mehr in Piet Retief gesehen.«
Kharmai schüttelte den Kopf, Kealey sagte immer noch nichts. Er setzte in Gedanken die Teile des Puzzles zusammen, wollte es aber erst aus dem Munde des Botschafters hören.
Martins blickte seine beiden Gäste nacheinander an. »Leider sind wir nun mit den Fakten am Ende. Alles Weitere ist pure Spekulation, aber ich habe eine persönliche Meinung, die ich Ihnen gern mitteilen
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