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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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ist New Yorker – hier geboren und aufgewachsen?«
    »Äh, nein, in Virginia. Aber ich lebe schon sehr lange in New York.«
    »Was haben Sie am Tag des Anschlags empfunden, wirklich empfunden?«
    »Ich war so erschüttert, wie wohl jeder es war. Es war, als hätte jemand ein Loch in mich hineingerissen.«
    »Klingt ziemlich übel«, sagte Sarge. »Es muss sich angefühlt haben, als hätten Sie erfahren, dass Ihr eigener Bruder ein Bombenleger ist.«
    »Nein, so habe ich das nicht gemeint.«
    »Jedenfalls haben Sie sich dann diese Gedenkstätte einfallen lassen, die ja ziemliche Kontroversen ausgelöst hat. Wo hatten Sie die Idee her?«
    Mo war immer noch bei der Bemerkung über den Bombenleger und fragte sich, ob er noch einmal versuchen sollte, sich gegen den Vergleich zu verwahren. Zu spät. »Sie stammt von mir selbst«, sagte er. »Ich fand einen Garten als Gedenkstätte symbolträchtig, mit seinem Zusammenspiel von Werden und Vergehen und –«
    »Schon verstanden. Ist es denn nun tatsächlich ein islamischer Garten?«
    »Es ist einfach nur ein Garten.«
    »Ein Paradies für Märtyrer?«
    »Ein Garten.«
    »Ein Spielplatz für Dschihad-Kämpfer?«
    »Ein Garten.«
    »Eine Verhöhnung des amerikanischen Volkes?«
    »Entschuldigen Sie bitte! Ich bin ein Teil des amerikanischen Volkes.«
    »Ich meine, wenn ich muslimisch wäre – die letzten zwei Jahre können nicht gerade einfach für Sie gewesen sein, könnte ich mir denken. Vielleicht waren Sie ein bisschen pikiert, vielleicht haben Sie gedacht, ich kann ja mal versuchen, denen so was unterzujubeln.«
    Mo war so empört über die Unterstellung, dass es ihm die Sprache verschlug.
    »Mohammad? Mo-ham-mad? Sind Sie noch da?« Sarge hatte die Stimme gesenkt und sich näher zu ihm gebeugt, als seien sie beide allein in diesem dunklen Universum, ihr einziges Publikum die fernen Sterne. Sein Ton klang weich und mitfühlend, was umso bewegender war, da es so unerwartet kam, und Mo merkte, dass es ihn geradezu drängte auszusprechen, was er fühlte. Der Mann hatte wirklich die Gabe, mit seiner honigweichen Stimme die Zuckerwatte des Vertrauens zu spinnen. Andererseits hatte er ihn die ganze Zeit Mohammad genannt, nicht Mo – hatte den Namen dazu benutzt, seine Zuhörer daran zu erinnern, dass dieser Mo-ham-mad alles verkörperte, was sie fürchteten.
    »Ich wollte etwas für mein Land tun«, sagte Mo. Seine Worte klangen dumpf, lahm, als müssten sie sich ihren Weg durch Teer bahnen. »So einfach ist das.«
    In der Werbepause trank Sarge eine Dose Red Bull. Mo versuchte, nicht hinzusehen. »Die ehrliche Wahrheit lautet«, sagte Sarge zu ihm, »dass ich am Tag des Anschlags kaum etwas empfunden habe, eigentlich überhaupt nichts, auch wenn Sie das nicht gemerkt hätten, wenn Sie sich meine Sendung angehört hätten. Sie kennen das doch, wenn man sich zu lange nicht bewegt und einem der Fuß einschläft? Es war, als wäre meine Seele eingeschlafen. Ich kam mir vor wie ein wandelnder Toter, wie ein gottverdammter wandelnder Toter. Wissen Sie, was ich meine, Mo?« Er legte den Kopf zurück und starrte an die Decke. »Vielleicht sollten Sie eine Gedenkstätte für mich entwerfen.«
    Kurz darauf ging es mit den Anrufern weiter, deren Fragen von einem ziemlich bedrückten Mo höflich beantwortet wurden. Erst später ging ihm auf, welches Misstrauen in ihnen zum Ausdruck kam.
    Mildred aus Manhasset: »Wenn Sie vor Gericht aussagen müssten, würden Sie dann auf den Koran schwören?«
    »Ich würde tun, was jeder Amerikaner vor Gericht tut.«
    Warren aus Basking Ridge, New Jersey: »Beten Muslime zum selben Gott wie wir?«
    »Muslime, Juden, Christen – sie alle beten zum selben Gott.«
    Ricky von Staten Island: »Ich verstehe einfach nicht, wieso Sie Ihren Entwurf nicht zurückziehen, wo Sie doch wissen, dass viele der Familien es gerne möchten.«
    »Das Verfahren sollte so ablaufen dürfen, wie es beabsichtigt war.«
    »Ich dachte gerade, Mo«, sagte Sarge, als die Sendung vorbei war. Sie waren allein im Studio. Mo war sicher, dass die Sonne inzwischen untergegangen war, aber der Assistent, der Sarge einen eigenartigen, schaumigen, sahnigen Orangendrink gebracht hatte, hatte Mo nichts angeboten, und er war zu stolz, zu misstrauisch diesem seltsamen Chamäleon gegenüber, um ihn um ein Getränk zu bitten. »Wäre es nicht möglich«, sprach Sarge weiter, »dass Ihr Unterbewusstsein etwas mit diesem Entwurf gemacht hat, was Sie selbst gar nicht beabsichtigt hatten? Mir

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