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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Gedichts von Kazi Nazrul Islam, das sie in der Schule gelernt hatte, fielen ihr ein. »Ich bin der brennende Vulkan im Busen der Erde, ich bin das wilde Feuer in den Wäldern, ich bin die ungeheure, tolle See der Geister der Hölle! Ich bin der ewige Rebell, ich erhebe mein Haupt über die Welt, hoch empor, ewig aufrecht und allein!« Noch bevor sie die Zeilen im Geist fertig aufgesagt hatte, riss sie ihren Arm los, flüsterte Nasruddin zu: »Ich flehe Sie an!«, sprang auf und rief: »Ich!« Mit glühendem Gesicht ging sie nach vorn zum Podium und versuchte, Nasruddin durch die Kraft ihrer Gedanken dazu zu zwingen, ihr zu folgen und zu übersetzen. Sie beschimpfte sich selbst, weil sie zu faul gewesen war, besser Englisch zu lernen, obwohl sie sich so viele Stunden amerikanische Fernsehsendungen angeschaut hatte.
    Hunderte von Augen bohrten sich in sie, alle schienen ein winziges Stückchen von ihr zu beanspruchen. Sie ging weiter, bekämpfte ihre körperliche Schwäche, ihre Angst, mit einem Gebet. »Hilf mir, Gott, denn Du bist der beste und gnädigste Gewährende, Beschützende, Vergebende.«
    Auch ohne direkten Befehl bewegten sich ihre Beine wohin sie sollten, gingen die Stufen zum Podium hinauf, eine nach der anderen, trugen sie zum Stuhl hinter dem kleinen Tisch. Sie setzte sich. Einen Moment später nahm Nasruddin neben ihr Platz.
    »Bitte nennen Sie uns Ihren Namen«, zwitscherte die Frau, die die Versammlung leitete.
    »Ich heiße Asma und bin die Ehefrau von Inam Anwar, der bei den Anschlägen ums Leben kam. Seine Arbeit war es, die Fußböden zu fegen und die Toiletten sauber zu machen.«
    Nasruddin übersetzte, ließ die Toiletten jedoch weg.
    »Mein Mann«, sprach sie weiter, »kam aus Bangladesch, so wie ich auch. Mein Sohn« – sie strahlte – »ist zwei Jahre alt. Er wurde drei Wochen nach dem Anschlag geboren und ist zu hundert Prozent Amerikaner. Mein Mann hat gearbeitet. Er hat Steuern gezahlt. Er hat Geld an seine Familie in Bangladesch geschickt – elf Personen – und an meine. Können Sie sich vorstellen, wie wenig danach für uns selbst zum Leben blieb? Aber wir sind zurechtgekommen. Inam war kein ungebildeter Mann. Er hat in Bangladesch die Schule besucht und sein Studium an der Universität abgeschlossen. Aber es gab dort keine Stellen, außer man zahlte Bestechungsgelder. Er zog es vor, hier ganz unten anzufangen, weil er daran glaubte, dass es möglich ist, sich nach oben zu arbeiten. In Bangladesch steckte man fest, wegen der Politik, wegen der Korruption. Hier gab es so etwas nicht. Die Menschen halfen einem. Sogar die jüdischen.«
    Nasruddin warf ihr einen Blick zu. Sie sprach genug Englisch, um zu wissen, dass er manches, was sie sagte, abänderte. Aber sie kannte kein Halten mehr. Ihre Stimme klang gepresst, weil sie zu atmen vergaß, aber sie hatte auch das seltsame Gefühl, kichern zu wollen, als sei sie wieder zwölf, als fahre sie zum allerersten Mal mit ihrem Vater in einer Fahrradrikscha durch die vollgepackten Straßen von Dhaka, lachend vor Angst und Aufregung.
    »Mein Mann war ein Mann des Friedens, weil er Muslim war. Das ist unsere Tradition. Das ist es, was unser Prophet, Friede sei mit ihm, uns lehrte. Man kümmert sich um die Witwen und Waisen, so wie Mr Nasruddin es für mich und mein Kind getan hat. Sie alle verwechseln die schlechten Muslime, die die Anschläge verübt haben, diese schlechten Menschen, mit dem Islam. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt tun Gutes, weil der Islam es ihnen aufträgt. Es gibt viele, viele Muslime, die niemals daran denken würden, ein Leben auszulöschen. Aber Sie sprechen über das Paradies, als wäre es ein Ort für schlechte Menschen. Doch das ist nicht das, was wir glauben. Der Garten ist nicht für sie da. Die Gärten des Paradieses sind für Männer wie meinen Mann, der niemals einem anderen ein Leid getan hat.« Sie holte Luft. »Wir sagen Ihnen doch auch nicht, was es bedeutet, Christ zu sein oder welche Regeln in Ihrem Himmel gelten.« Das ließ Nasruddin unübersetzt.
    »Ich finde, ein Garten als Gedenkstätte ist genau das Richtige«, fuhr sie fort. »Denn Amerika ist ein Garten, in dem alle Menschen, Muslime und Nicht-Muslime, zusammen wachsen können. Wie können Sie so tun, als seien wir und unsere Traditionen nicht Teil dieses Landes? Ist mein Mann weniger wert als Ihre Angehörigen?«
    Die Gesichter des Publikums verschwammen ineinander, was ein Trost für sie war.
    »Sie mögen diesen Architekten nicht,

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