Der amerikanische Architekt
ermordet worden. Nein, von einem xenophoben, kam es von den Vorkämpfern für eine neue Einwanderungsgesetzgebung. Die unterschiedlichsten Gruppen – muslimische und nicht-muslimische – riefen bei den Medien an und bekannten sich zu der Tat. Aber wie bei jeder psychologischen Kriegsführung konnte niemand sagen, ob die Anrufe echt oder nur Versuche waren, den Mord irgendwelchen Konkurrenten in die Schuhe zu schieben.
Zu Alyssas Kummer ging keiner dieser Anrufe bei ihr ein, was bedeutete, dass sie verzweifelt nach einem Ansatzpunkt suchen musste. Das nagende Schuldgefühl, das sie nach der Ermordung Asmas empfunden hatte, war teils durch die Angst vertrieben worden, die sie in der Menge ausgestanden hatte, teils durch die anschließende Befragung durch die Polizei. Beides erschien ihr als kosmische Buße durchaus ausreichend. Außerdem hatte sie nur über Dinge berichtet, die Khan ausgelöst hatte. Falls überhaupt irgendjemand verantwortlich war, dann doch wohl er.
»Wenn er nicht gerade der Blechmann ohne Herz aus dem Zauberer von Oz ist, muss er sich schuldig fühlen«, sagte Chaz zustimmend, als sie das als möglichen Ansatzpunkt anführte. »Finden Sie ihn, fragen Sie ihn, ob er sich schuldig fühlt. Fragen Sie ihn, ob er seinen Entwurf jetzt zurückziehen wird. Denken Sie an die Titelseite, wenn er aufgibt: SAYONARA ALLAH !« Er fing an zu lachen. »Sorgen Sie dafür, dass er aufgibt, nur damit wir diesen Ausdruck bringen können. Und finden Sie heraus, ob ihr Name auch in seinem Garten aufgeführt werden soll. Schließlich ist sie jetzt doch auch eine Märtyrerin, richtig?«
Alyssa legte sich vor Khans Loft in Chinatown auf die Lauer. Er tauchte nicht auf. Aber er war genau wie sie. Er würde der Arbeit nicht fernbleiben können. Sie parkte in der Nähe von ROI und wartete. Als der Tag zu Ende ging, kamen die Architekten, alle mit arrogantem Blick hinter rechteckigen Brillengläsern, einer nach dem anderen zum Vorschein. Kein Khan. Aber irgendein Gespür riet ihr, noch zu warten, und das tat sie, stundenlang. Um elf tauchte er auf und sah sich vorsichtig um. Sie kam aus ihrem Versteck hervor. Er zuckte zusammen.
»Ich bin’s nur«, sagte sie leise, als würden sie sich schon ewig kennen. Dabei hatten sie sich, ging ihr erst jetzt auf, obwohl sie ihm ständig auf der Fährte gewesen war, nie persönlich kennengelernt. »Alyssa Spier, von der New York Post .« Einen Augenblick lang sah er sie nur ausdruckslos an, als hätte er ihren Namen noch nie gehört. Sie fühlte sich am Boden zerstört, obwohl sie wusste, dass die meisten Leser nicht auf die Verfasserzeile achteten. Dann verzog sich sein Gesicht.
»Lassen Sie mich bloß in Ruhe!«, fuhr er sie an.
»Was werden Sie jetzt tun? Ihren Entwurf zurückziehen?«
Khan ließ sie einfach stehen, ging mit langen, weit ausholenden Schritten davon. Sie kam sich vor wie eine Maus in einem Zeichentrickfilm, als sie hinter ihm herwuselte. »Fühlen Sie sich verantwortlich?«, fragte sie. »Für Asma Anwars Tod?«
Er fuhr so plötzlich herum, dass sie zurückzuckte. Nach allem, was sie über den Islam und seine Gewaltbereitschaft geschrieben hatte, wäre es fast witzig, dachte sie, wenn ein Muslim, insbesondere dieser hier, ihr gegenüber gewalttätig werden würde.
»Ausgerechnet Sie fragen mich das?«, sagte er. »Sie sind doch diejenige, die sie auf die Straße getrieben hat. Wahrscheinlich waren Sie sogar da und haben jedes blutige Detail mitgekritzelt. Sie und Ihre Zeitung haben doch alles nur Erdenkliche getan, um die Jagdsaison auf Muslime zu eröffnen.«
»Nein, das haben Sie getan, als Sie sich an der Ausschreibung beteiligt haben, als Sie darauf bestanden haben, dass es Ihr Recht ist, als Gewinner anerkannt zu werden, obwohl so viele Amerikaner dagegen waren, obwohl so viele Angehörige sich verletzt fühlten. Also? Werden Sie Ihren Entwurf jetzt zurückziehen?«
»So viele Amerikaner waren dagegen? Haben Sie das gerade gesagt?«, wollte Khan wissen und trat auf sie zu. Da sie nur ein paar Schritte voneinander entfernt waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als zurückzuweichen. »Ich bin auch Amerikaner«, sagte er, immer weiter auf sie zukommend. »Schreiben Sie das in Ihrer Zeitung. Ich, Mohammad Khan, bin Amerikaner. Und ich habe dieselben Rechte wie jeder andere Amerikaner auch.« Sie wich zurück, er kam nach wie vor auf Sie zu. »Ich bin Amerikaner. Das ist das einzige Zitat, das Sie von mir bekommen werden. Ich bin Amerikaner.« Sie sah
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