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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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bestehen, alles auszuradieren, was Sie an das Paradies erinnert, von dem sie sprach.«
    »Der Garten soll also das Paradies heraufbeschwören?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, presste Khan durch zusammengebissene Zähne heraus. »Ich sagte, dass es eine Beleidung für Asma Anwar ist, wenn Sie den Garten von allem säubern wollen, was Ihrer Meinung nach dieses Paradies heraufbeschwört.«
    »Diese Unterschiede sind nach allem, was geschehen ist, für dieses Land zu hoch. Verstehen Sie denn nicht, dass es nur natürlich ist, dass die Menschen Angst haben?«
    »So natürlich wie ein Garten«, sagte Khan. Die Entgegnung war zu perfekt. Sie hätte sie gern in der Luft zerrissen.
    »Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich mich mit der Gedenkstätte für meinen Mann wohlfühlen möchte«, sagte Claire, mit ihrer Geduld am Ende. »Ihr Entwurf wird für mich bedrohlicher, wenn Sie ihn nicht verändern wollen. Es sagt mir, dass da etwas ist, etwas Verborgenes, was Sie unbedingt erhalten wollen. Anhänger Ihrer Religion haben schreckliches Leid verursacht. Haben mir schreckliches Leid verursacht. Und für uns alle ist es sehr schwer zu verstehen, was der Islam bedeutet oder will. Was Muslime glauben. Eine Menge Muslime, die nie einen terroristischen Akt begehen würden, billigen diese Taten zumindest, aus politischen, wenn schon nicht aus religiösen Gründen. Oder sie sagen, dass die Täter gar keine Muslime waren. Aus diesem Grund ist es nicht zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte mir zu sagen, wo in diesem Kontinuum Sie sich verorten. Auf der Anhörung zu erfahren, dass Sie die Anschläge nie verurteilt haben, hat mich – ich will ganz ehrlich sein – geradezu fassungslos gemacht. Wieso haben Sie es nicht getan?«
    »Wahrscheinlich weil niemand es je von mir verlangt hat.« Sein Ton war nicht schnippisch, seine Worte waren es sehr wohl.
    »Und wenn ich es jetzt verlange?«
    »Gleiches Prinzip, Mrs Burwell.« Dass er Sie mit Ihrem Nachnamen ansprach, war fast eine Beleidigung. Schließlich war sie kaum älter als er.
    »Und das wäre?«, brauste sie auf. »Was ist das Prinzip hinter Ihrer Weigerung zu sagen, dass ein terroristischer Anschlag falsch war oder dass Sie nicht an die Ideologie glauben, die dahintersteckte?«
    »Und welches Prinzip steckt dahinter, von mir zu verlangen, dass ich das ausspreche, wenn sogar Ihr sechsjähriger Sohn Ihnen sagen kann, dass es falsch war?« Er versuchte, sich mit den Händen durch die Haare zu fahren, nur um zu merken, dass sie zu kurz dafür waren. Die geballten Fäuste rechts und links gegen den Kopf gedrückt, sah er auf die Tischplatte.
    »Was William sagt, ist hier nicht von Belang. Ich will wissen, was Sie glauben.«
    Eine unbehaglich lange Stille trat ein. »Würden Sie nicht annehmen, dass jeder Nicht-Muslim, der sich an der Ausschreibung beteiligt hat, die Anschläge für falsch hält? Wieso behandeln Sie mich anders? Wieso verlangen Sie mehr von mir?«
    »Weil Sie mehr von uns verlangen. Sie wollen, dass wir Ihnen vertrauen, obwohl Sie nicht bereit sind, Fragen zu Ihrem Entwurf zu beantworten – was er bedeutet, wo er herkommt.«
    »Aber Sie stellen diese Fragen doch nur, weil Sie mir nicht trauen.«
    »Und ich traue Ihnen nicht, weil Sie nicht antworten. Wie es aussieht, stecken wir fest.« Sie lächelte. Zu ihrer Überraschung tat er es auch. Wenn sie diese Zwickmühle erkennen und sogar darüber lachen konnten, dachte sie mit nachlassender Feindseligkeit, konnten sie sie auch überwinden.
    »Es geht einfach nur darum, dass es für mich schwer ist, Sie als Erbauer der Gedenkstätte zu sehen, wenn ich nicht weiß, was Sie denken.«
    »Es ist eine Glaubensfrage, nicht wahr?«
    Das brachte sie zum Schweigen. Sie streckte die Arme nach hinten, suchte die Festigkeit der Wand. Khan hatte seinen Stuhl etwas zur Seite gedreht, um mehr Platz für seine Beine zu haben, so dass sie einander nicht mehr direkt ansahen. Sie musterte sein Dreiviertelprofil. Der Historiker in der Jury, der ewige Pedant, hatte einmal gesagt, dass die Deutschen, selbst die, die bei Hitlers Tod nicht einmal geboren waren, immer wieder neue Wege fanden, sich bei den Juden zu entschuldigen, Wiedergutmachung zu leisten. Individuen, die an einem Verbrechen schuldlos waren, konnten trotzdem kollektive Verantwortung dafür empfinden und übernehmen. Auf der Suche nach irgendeinem Zeichen, dass er diese Verantwortung akzeptierte, durchforschte sie Khans Gesicht.
    »Sehen Sie denn nicht, dass Sie

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