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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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selbst bis jetzt noch keine eigenen Enkelkinder hatte, blieben ihm nur seine Söhne, die mit dem üblichen Größerwerden auch größere Enttäuschungen für ihn bereitgehalten hatten.
    Immerhin war sein jüngerer Sohn, Samuel, ein Tatmensch. Er leitete eine bekannte Schwulenorganisation und war vom New York Magazine als einer von vierzig New Yorkern unter vierzig aufgelistet worden, die man sich merken sollte. Paul hatte keine Probleme mit Samuels sexueller Neigung; als Samuel sich outete, hatte er genug gelesen, um zu wissen, dass Homosexualität unabänderlich war und er als Vater keine Schuld daran trug. Aber es wurmte ihn, ständig mit der Nase darauf gestoßen zu werden, ihn nervte der endlose Strom austauschbarer junger Männer, die zu Pessach und Thanksgiving mitgebracht wurden. »Du willst, dass ich so lebe, als wäre ich hetero«, hatte Samuel ihm einmal vorgeworfen. Volltreffer. Paul fand es immer noch verwunderlich, dass nicht Samuel, sondern Jacob der Versager war.
    Als Paul sein Arbeitszimmer betrat und Jacobs lockigen Hinterkopf sah, machte sich eine vertraute, ungewollte Kälte in ihm breit. Sie gaben sich die Hand. Jacobs normalerweise blasse Haut war sonnengebräunt oder hatte, was es besser traf, eine lachsrosa Färbung angenommen. »Urlaub gemacht?«, erkundigte sich Paul und tat so, als sehe er seine Post durch.
    »Nur ganz kurz«, bestätigte Jacob und zog den Kopf zwischen die Schultern.
    »Urlaub«, wiederholte Paul. »Muss nett sein.«
    Als Jacob nicht darauf einging, erkundigte Paul sich nach seiner Frau, die taiwanesischer Abstammung und atemberaubend schön war.
    »Bea geht es gut. Was wirst du jetzt tun, Dad?«
    »Weswegen?«, fragte Paul kurz angebunden, obwohl er es wusste. Er war gerührt, da Jacob sich nur selten nach Pauls eigenen Sorgen erkundigte, dann verärgert: Es musste also etwas derart Sensationelles sein, damit er fragte.
    »Wegen der Gedenkstätte natürlich.«
    »Was würdest du an meiner Stelle tun, Jacob? Falls es wahr wäre?«
    »Ihm – oder ihr – den Auftrag geben. Ich habe zu Bea gesagt, dass ich glaube, dass es Zaha Hadid ist.« Keine Reaktion. »Aber wer immer es ist, gewonnen ist gewonnen.«
    Gesprochen wie der einfältige Sohn beim Seder, dachte Paul und fragte: »Weswegen sind wir heute hier?« Jacob fing an, über seinen neuen Film zu sprechen – irgendetwas über eine Frau, die mit ihrem neunjährigen Sohn nach Laos fährt. Laos klang teuer.
    »Erinnerst du dich an die Frau, die in Exiled eine Nebenrolle hatte? Und schwanger wurde? Der Junge ist ihr Sohn!« Nichts an dem, was Jacob da sagte, rechtfertigte den aufgeregten Ton, und das, entschied Paul, war der Grund dafür, dass Jacob ein so armseliger Verkäufer war: Er hatte kein Gespür für Betonungen, merkte nicht, wie andere ihn wahrnahmen. Dieses Urteil, das wusste Paul, war gleichzeitig ein Versuch, sein eigenes schlechtes Gewissen zu überspielen. Er hatte nämlich die Premiere von Exiled für ein Dinner in Gracie Mansion zu Ehren von Gouverneurin Bitman sausen lassen, da er damals immer noch versuchte, den Vorsitz über die Jury zu ergattern. Irgendwann später, zu Hause, hatte er den größten Teil des Films verschlafen, gelangweilt und verwirrt, und war erst beim Abspann wieder aufgewacht, wo er sich als Koproduzenten aufgeführt sah, als Gegenleistung für das Geld, das er durch diesen Schwachsinn verloren hatte. Er hatte Jacob eine von Edith diktierte Notiz geschickt und die »Originalität und Leidenschaftlichkeit« von Exiled gelobt, aber heute war er in Gedanken woanders, vergaß seine Vorsicht. »Den Teil habe ich wohl verschlafen«, sagte er gedankenlos, barsch – sogar, wie ihm im Nachhinein klar wurde, gehässig.
    Zwei rote Flecken erschienen auf Jacobs Wangen und Paul erkannte den unglücklichen kleinen Jungen wieder, der in der Schule gehänselt worden war und Trost suchte. Bloß dass es jetzt sein eigener Vater war, der ihn gekränkt hatte. Vielleicht, dachte Paul, bedeutete Elternsein, die Kinder so lange zu schützen, bis sie stark genug waren, die Kränkungen zu verkraften, die die eigenen Eltern ihnen zufügten.
    »Es tut mir –« Nein, er würde sich nicht entschuldigen. »Ich bin müde«, sagte er stattdessen. »Ich habe zurzeit eine Menge um die Ohren.« Jacob klappte den Mund auf und zu, sagte aber nichts. Dieses Schweigen, diese Unfähigkeit, sich zu äußern, minderte Pauls Respekt noch mehr.
    »Wie viel brauchst du?«, fragte er, um die Sache hinter sich zu

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