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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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durch Frauen. Meine Sorge in Bezug auf den Islam steht damit absolut in Einklang.« Sie stand auch, dachte Paul zum ersten Mal, mit der Art in Einklang, wie sie Bob Wilner förderte: Natürlich hatte sie den Anwalt, ihren früheren Assistenten, nicht in die Jury entsandt, weil sie wusste, dass ein Muslim gewinnen würde, aber seine Einstellung zu diesem Thema war ihr sicher nicht unbekannt gewesen.
    Eine zarte Röte, ein hauchdünner Schweißfilm auf der Stirn. Paul musterte Geraldine von der Seite – ihre wie ein Helm geschnittenen Haare in einem satten, leuchtenden, künstlichen Kastanienrot, dem sie zum Teil ihren Spitznamen, der Fuchs, verdankte: ein ansprechendes Adlerprofil, das sich auf einer Münze gut machen würde.
    »Um ehrlich zu sein, bin ich überrascht über Sie«, sagte sie jetzt.
    »Inwiefern?«
    »Sie haben die Angelegenheit nicht im Griff.«
    Damit war alles klar. Khans Behauptung, er sei aufgefordert worden, seinen Entwurf zurückzuziehen, war für Paul ein Schlag ins Gesicht gewesen, hatte er sich doch solche Mühe gegeben, Khan eben nicht darum zu bitten, sondern ihm nur zu verstehen zu geben, dass es keine schlechte Idee wäre, es zu tun. Also hatte er unverzüglich eine Erklärung des Inhalts abgegeben, er habe keine derartige Forderung geäußert. Das war Fehler Nummer Eins gewesen. Fehler Nummer Zwei war, eine weitere Klarstellung folgen zu lassen, in der er sagte, er habe Khan nicht der Lüge bezichtigen wollen, wie die Reporter seine erste Erklärung interpretiert hatten. Fazit beider Erklärungen war jedenfalls, dass es nun keinen Zweifel mehr daran gab, dass es tatsächlich Khans Entwurf war, den die Jury ausgewählt hatte, was wiederum bedeutete, dass Paul eine Möglichkeit finden musste, Khan der Öffentlichkeit zu präsentieren, nachdem dieser sich bereits selbst vorgestellt hatte. Er musste Beschuldigungen zurückweisen, die Jury habe versucht, Khans Auswahl zu vereiteln, während die Opferfamilien lautstark forderten, die Jury hätte genau das tun müssen .
    »Es ist eine heikle Situation, Geraldine. Und ich finde nicht, dass es hilfreich ist, die Angst noch zusätzlich zu schüren –«
    »Die Angst ist aber da, Paul. Sie ist real. Und die Gefühle da draußen, im Herzen von Amerika – nebenbei bemerkt Gefühle, die für mich dieser Tage durchaus von Interesse sind, wie Sie gern wissen dürfen –, diese Gefühle sagen, dass die Juroren diese Angst anscheinend nicht nachvollziehen können, obwohl gerade sie das sollten, da sie doch fast alle in Manhattan leben und wir alle schließlich wissen, was dort passiert ist. Aber sie tun es nicht.« Ihre Schritte verlangsamten sich, die Röte ihres Gesichts wurde trotzdem noch intensiver.
    »Meine Juroren haben sich nicht das Geringste vorzuwerfen. Es war eine anonyme Ausschreibung, wie Sie selbst wissen.«
    »Ja, ich weiß. Aber die Umfragen zeigen, dass 70 Prozent der Amerikaner es nicht wissen. In einer Zeit wie dieser brauchen die Leute jemanden, dem sie die Schuld geben können. Sie haben kein Verständnis für abstrakte Verfahrensabläufe.«
    Geraldine hatte ihn nicht zum Frühstück hergebeten, wurde Paul klar, da ihm keins angeboten wurde. Sie hatte ihn aus Freundschaft angerufen, um ihn zu warnen, dass sie seine Jury – einen Haufen Künstler aus Manhattan, elitär bis auf die Knochen – ebenso aufs Korn nehmen würde wie die islamistische Bedrohung. Er hätte über die Anonymität der Ausschreibung hinaus alle möglichen weiteren Einwände vorbringen können, zum Beispiel, dass die meisten der Künstler den Garten nicht einmal gewollt hatten. Aber das war Geraldine durch ihren Mann in der Jury, der ihr Bericht erstattete, wahrscheinlich sowieso bekannt.
    »Und vergessen Sie nicht, dass die letzte Entscheidung bei mir liegt, Paul.« Er antwortete nicht darauf. Als sie ihn gebeten hatte, den Vorsitz der Jury zu übernehmen, hatte sie ihn gedrängt, dafür zu sorgen, dass die meisten der Juroren Künstler waren, Fachleute. »Wir wollen auf keinen Fall, dass ein Haufen Feuerwehrleute beschließt, einen gigantischen Helm in Manhattan aufzustellen« – so hatte sie es ausgedrückt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit natürlich. Sie hatte sich gegen Sean Gallaghers Kampagne stark gemacht, ausschließlich Hinterbliebene in die Jury zu berufen. Das würde, da war sie sich sicher, nur Gezänk geben, und sie selbst hätte keinen Vorteil davon, wenn sie die Auswahl unter ihnen traf. Claire Burwell, die einzige Angehörige in

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