Der amerikanische Architekt
weil Mo ihm nichts gesagt, ihn nicht vorgewarnt oder, was vielleicht das Schlimmste war, nicht aufgefordert hatte, sich mit ihm zusammen an der Ausschreibung zu beteiligen. Mo wusste, dass er sich unmöglich verhalten hatte. Für die Krolls war er fast so etwas wie ein viertes Kind, das für sämtliche Feiertage adoptiert, auf jeder Geburtstagsparty erwartet wurde. Vor allem Petey, der Älteste, fünf Jahre alt, hatte einen Narren an Mo gefressen, der sich immer noch an den Augenblick erinnern konnte, als Petey zum ersten Mal seinen Namen gesagt hatte. Das Gefühl, von einem kleinen Kind als Person wahrgenommen zu werden, ließ sich mit nichts auf der Welt vergleichen und war daher etwas überaus Wertvolles. Auto. Hubschrauber. Mo. Verräter. Seine Anrufe und E-Mails, mit denen er sich bei Thomas entschuldigen wollte, waren unbeantwortet geblieben, und sein schlechtes Gewissen war auch durch die Story in der Post vom heutigen Morgen mit ihrem »Freund bezeichnet muslimischen Gewinner als lasterhaft« nicht nachhaltig besänftigt worden.
Aus alter Gewohnheit fing Thomas an zu strahlen, als er Mo sah. Dann fiel ihm ein, dass er wütend auf ihn war. Mo war immer noch dabei, sich seine Entschuldigung zurechtzulegen, als Thomas ihn gegen die Wand stieß, eine rührend schuljungenhafte Geste, so als sei er gar nicht mit dem Herzen dabei. Mo selbst hätte genauso reagiert. Unfähig, etwas zu sagen, fing er an zu lachen, größtenteils vor Erleichterung darüber, dass der gefürchtete Moment vorbei war.
»Das habe ich mehr als verdient«, sagte Mo.
»Wenn Alice hier wäre, würdest du jetzt bluten.«
»Ich weiß.«
»Du bist das größte Arschloch aller Zeiten. Du hast diesen Entwurf wann eingereicht? Vor fünf, sechs Monaten? Und in dieser ganzen Zeit hast du kein einziges Mal daran gedacht, mir etwas davon zu sagen?«
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich gewinnen könnte, also dachte ich, es lohnt sich nicht, etwas zu sagen.«
»Blödsinn!«, sagte Thomas. »Du bist viel zu eingebildet, um zu denken, dass du nicht gewinnen könntest.«
»Ich habe nicht einmal meinen Eltern was davon gesagt. Macht das die Sache besser?«
»Ich dachte, wir sind Partner«, sagte Thomas. »Ich dachte, wir wollten alles gemeinsam machen.«
»Wollten wir auch. Wollen wir auch. Ich zumindest will es immer noch. Ich – also gut, ich gebe zu, es ging mir nur um mich selbst. Es war einfach etwas, was ich allein tun musste. Und du siehst ja, wie wunderbar es gelaufen ist. Geschieht mir völlig recht.«
»Soll ich jetzt etwa Mitleid mit dir haben? Reporter waren bei uns im Haus. Alice hat Angst. Ich habe Angst. Die Kinder – du Arschloch«, sagte er noch einmal, mit mehr Inbrunst.
»Ich wusste nicht, dass sie zu euch kommen würden, Thomas. Scheiße, es tut mir leid. Irgendwie bin ich nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass sie dich da mit reinziehen könnten.«
»Natürlich bist du nicht auf den Gedanken gekommen. Das hätte ja bedeutet, dass du mal an jemand anderen denken müsstest als an dich selbst.«
Mos Bußfertigkeit ließ allmählich nach. Auf wie viele Weisen konnte man schon sagen, dass es einem leidtat? »Okay, ich bin das größte Arschloch aller Zeiten, aber du hast gesagt, ich sei lasterhaft. Lasterhaft !«
Thomas fing an zu lachen. »Genau genommen habe ich gesagt, dass du lasterhafter bist als ich, was dieser Tage nicht besonders viel bedeutet. Sie hat sich meinen Satz zurechtgebogen. Eigentlich wollte ich dir damit helfen, obwohl ich stinksauer war, und ihr klarmachen, dass du kein Extremist bist. Ihr Gesicht leuchtete auf, kaum dass ich das Wort ausgesprochen hatte.«
»Und ich wollte uns beiden helfen. Denk doch nur, wie gut es für unsere Firma wäre, diese Ausschreibung zu gewinnen.«
»Es wird keine Firma geben, Mo! K/K-Architekten ist tot. Du hast die Idee umgebracht. Egal was sonst, Alice wird jetzt niemals zulassen, dass wir beide uns zusammentun. Du weißt, wie nachtragend sie sein kann.«
»Ich rede mit ihr«, sagte Mo, der genau wusste, dass die Verschiebung auf Alice bedeutete, dass Thomas selbst anfing, weich zu werden. Sofort regten sich neue Schuldgefühle. Ihm war klar, dass er das Risiko, Thomas zu verärgern, bewusst auf sich genommen hatte, weil der, anders als seine Frau oder Mo selbst, einfach nicht nachtragend sein konnte.
Roi dagegen konnte es sehr wohl. Er war im Büro, redete aber nicht mit Mo – weder an diesem Tag, noch am nächsten. Als er ihn schließlich zu sich rufen
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