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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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ausfechten«, schoss er zurück und erntete dafür den Applaus seiner eigenen Anhänger, die Debbies Besserwisserei anscheinend ebenso satthatten wie er. »Man will uns vorschreiben, was wir auf der öffentlichen Anhörung über Khan sagen dürfen. Man behauptet, dass wir unamerikanisch sind und will uns unsere Redefreiheit nehmen. Also werden wir uns das Gelände zurückholen – im wahrsten Sinn des Wortes. Wir werden uns dort auf die Erde legen und erst weggehen, wenn sie sich bereit erklären, einen neuen Wettbewerb für die Gedenkstätte auszuschreiben. Wir werden die Methoden Martin Luther Kings gegen sie wenden. Wer ist bereit, sich verhaften zu lassen?«
    So viele Hände schossen in die Höhe, dass es aussah, als wollten sie die Welle machen. Es gab Jubel und Applaus und »Wir holen uns das Gelände zurück«-Rufe. Sean ließ eine Teilnehmerliste für die Protestaktion herumgehen und beraumte eine Übung an.
    »Vergessen Sie nicht, Claire Burwell auch weiterhin unter Druck zu setzen. Sie ist die wichtigste Stütze, die Khan hat«, sagte Debbie, als die Kirche sich geleert hatte. Ihre Hände lagen auf ihren schmalen Hüften, der PEACE -Schriftzug an ihrem Hals glitzerte, sie beäugte die Jungfrau Maria, als wolle sie sie auf ihre Eignung als neue Rekrutin überprüfen.
    »Asma!«, rief Mrs Mahmoud und klatschte in die Hände. »Der Tee ist fertig. Ich habe uns Gulab Jamun mitgebracht.«
    Asma blieb ganz still auf ihrem Bett sitzen und überlegte, ob sie so tun solle, als sei sie nicht da. Seit ihrer Schwangerschaft hasste sie Gulab Jamun – so klebrig, so widerlich süß. Sie wollte nur eins – ganz in Ruhe die Zeitungen lesen, solange Abdul still für sich spielte. Im Augenblick steckte sie mitten in einem Artikel, der aus einer englischsprachigen Zeitung übersetzt worden war: »Islam bedeutet Unterwerfung – er versklavt seine Anhänger und verlangt, dass auch Angehörige anderer Religionen sich ihm unterwerfen. Sein Ziel ist es, die Scharia, das islamische Gesetz, überall da einzuführen, wo es nur irgend geht, auch in den Vereinigten Staaten. Die Anhänger des Islam werden Ihnen einreden wollen, dass das nicht stimmt, aber bedenken Sie, dass der Islam Lügen gutheißt – der islamische Begriff dafür lautet Taqiyya –, wenn es darum geht, den Glauben zu verbreiten oder einen Dschihad auszurufen. Als Mohammad Khan sich an der Ausschreibung für die Gedenkstätte beteiligte, praktizierte er diese Taqiyya, indem er seine Identität verheimlichte …«
    Asma hielt inne, um über das Gelesene nachzudenken. Da sie nie Arabisch gelernt hatte und es weder lesen noch sprechen konnte, beschränkte sich ihre Kenntnis des Koran auf das Wenige, das sie aufgeschnappt hatte – Gebete, die sie sich eingeprägt hatte, Teile der Predigten beim Freitagsgebet, Zeilen, die ihr Großvater, ihr Vater, die Imame zitiert und diskutiert hatten. Keiner von ihnen hatte je gesagt, sie solle Krieg gegen Nicht-Muslime führen oder ihnen die Scharia aufzwingen, aber wahrscheinlich hätten sie auch nicht ausgerechnet eine Frau damit betraut. Jedenfalls hatte niemand je gesagt, sie solle lügen. Das bedeutete natürlich nicht, dass sie es nie getan hatte. Sie hatte gelogen, um nach Amerika zu kommen, hatte im Visumantrag »Hochzeitsreise« als Zweck ihres Besuchs angegeben, obwohl sie wusste, dass sie nach Amerika fuhr, um dort zu bleiben. Aber Menschen aus aller Welt, aus jeder Religion, benutzten diese Lüge. Sie hatte gelogen, als sie zu Inam sagte, es tue nicht weh, als sie sich das erste Mal liebten, aber danach war der Schmerz zu einer so intensiven Wonne geworden, dass sie keine Worte dafür fand, also war es keine schlimme Lüge gewesen, und außerdem vermutete sie, dass auch diese Lüge nicht nur von muslimischen Frauen benutzt wurde. Sie hatte die Mahmouds angelogen, und tat es immer noch, indem sie ihnen nichts von ihrem Geld erzählte …
    »Gulab Jamun!«, jubelte Abdul. Jetzt konnte sie nicht mehr so tun, als sei sie nicht da.
    »Wir kommen gleich«, rief sie und stieß einen Seufzer aus, mit dem sie, wie sie hoffte, auch ihren inneren Widerstand aus sich ausstoßen würde.
    Sie öffnete die Tür ihres Zimmers und sah Mrs Mahmoud ins Sofa hineinsinken, als wolle sie für alle Zeiten dort vor Anker gehen. Asma stellte Abdul auf den Boden, damit er ein bisschen herumlaufen konnte, und nahm neben Mrs Mahmoud Platz. Sie hielt ihr den Teller mit Gulab Jamun hin, und Asma zwang sich, ein winzig kleines

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