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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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schluchzend vom Tod ihres Vaters.
    »War es richtig, dass ich nicht nach Bangladesch zurückgegangen bin?«, weinte sie. »Sagen Sie mir bitte, dass es richtig war.«
    »Du hast getan, was ich auch getan hätte«, versuchte er sie zu beschwichtigen.
    Als sie sich ausgeweint hatte, war alle Kampfbereitschaft aus ihr gewichen und sie war so müde, dass sie tagelang hätte schlafen können. Nasruddin verließ sie, um zu versuchen, den Frieden im Haus wiederherzustellen. Eine Stunde später kam er zurück. Um keine weiteren Probleme zu bekommen, mahnte er, musste sie sich aus den Angelegenheiten ihrer Nachbarn heraushalten.
    »Es gibt einen richtigen Weg, mit Problemen umzugehen«, sagte er zu ihr. »Du musst ihn lernen.«
    »Aber wie soll ich neben so einem Mann leben?«
    »Ich werde mit ihm reden«, sagte Nasruddin. »Aber du musst ihn Gottes Urteil überlassen.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, murmelte sie. Sie war auch verlegen und zornig, aber das behielt sie für sich. Das Gefühl, von bösen Kräften besiegt worden zu sein, nagte an ihr. Ihr Vater wäre mutiger gewesen.
    »Was haben Sie zu ihnen gesagt? Wie haben Sie es geschafft?«, fragte sie.
    »Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt«, sagte Nasruddin. Nämlich dass ihr Vater gestorben und sie vor Kummer außer sich gewesen sei.
    Die »Rallye zum Schutz der geweihten Erde« fand an einem schönen Samstagmorgen auf einem Platz gegenüber dem Gelände statt. Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der Gedenkstätte und von »Save America from Islam« waren vertreten, hatten sich in einem abgezäunten Bereich vor einer Bühne versammelt. Eine tausendköpfige Menge drängte sich hinter ihnen: Frauen mit Schildern mit der Aufschrift KEINE TOLERANZ FÜR INTOLERANZ , ISLAM TÖTET , KEIN SIEGERGARTEN oder KHAN IST EIN SCHWINDLER . Väter, die kleine Kinder auf den Schultern trugen. Vermummte Männer, bei denen es sich vielleicht, vielleicht aber auch nicht, um Veteranen handelte. Hunderte Angehörige der Opfer waren anwesend – Sean hatte viele von ihnen persönlich angerufen und um ihr Kommen gebeten. Die Menge quoll über den kleinen Platz hinaus, auf die Bürgersteige, auf die Straßen, zwischen die Busse, mit denen Demonstranten aus dem Umland angekarrt worden waren. Fernsehhubschrauber dröhnten über ihnen.
    Debbie Dawson trug eine enge schwarze Hose und ein weiteres selbstentworfenes T-Shirt, dieses mit der Aufschrift »Kaffer und stolz darauf.« Zwei sonnengebräunte Männer mit Ray-Ban-Sonnenbrillen, blauen Blazern und khakifarbenen Hosen folgten ihr durch die Menge. Wenn sie stehen blieb, um Interviews zu geben oder Anhänger zu begrüßen, positionierten sie sich rechts und links von ihr, den Blick in die Menge gerichtet, die Füße weit auseinander, die Arme nie wirklich entspannt. Leibwächter, ging es Sean auf. Sie sah aus, als hätte sie die großartigste Zeit ihres Lebens.
    Sean nahm seinen Platz auf der Bühne ein, um seine Eröffnungsansprache zu halten, und ließ den Blick über die immer noch anschwellende Menge schweifen. Wie es aussah, hatten sich ganz vorn all jene zusammengefunden, die irgendwie durchgeknallt waren, es schienen eine ganze Menge zu sein. Ein sehr dicker Mann mit Hosenträgern hielt ein Plakat in die Höhe, auf dem ein Schwein einen Koran fraß. Drei Frauen trugen ein Banner mit der Aufschrift SCHMEISST DIE ATOMBOMBE AUF SIE  – SOLL ALLAH SIE AUSEINANDERSORTIEREN . Ein pickliger, ganz in Schwarz gekleideter Teenager mit Harry-Potter-Brille hielt ein Schild hoch, auf dem stand: DAS RECHT AUF MEINUNGSFREIHEIT KÖNNEN SIE HABEN  – WIR HABEN JA DAS RECHT AUF WAFFENBESITZ . Eine primitive Zeichnung zeigte eine Pistole, die auf das Gesicht eines Mannes mit Turban gerichtet war. Menschliches Treibgut: eine irreguläre Armee, die Sean nicht einberufen hatte und nicht wieder loswerden konnte.
    Seine Idee, Claire Burwells Gesicht zu weißen und ein Fragezeichen hineinzumalen, die er erst für so kreativ gehalten hatte, wirkte gespenstisch, wenn hundertfünfzig dieser Poster vor ihm hin und her geschwenkt wurden. Die SAFI -Poster von Khan – das Gesicht durchgestrichen oder mit einer Zielscheibe übermalt – sahen nicht viel besser aus. Die Polizei umzingelte einen Mann, dem es mit Hilfe des gezielten Einsatzes von Feuerzeugflüssigkeit gelungen war, Khans Posterbart anzuzünden.
    Bei allen Reden, die Sean seit den Anschlägen gehalten hatte – insgesamt rund neunzig –, war er überzeugt gewesen, dass es nicht nur ein Fluch,

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