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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hochgeschwender
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waren
internal improvements
, also Investitionen im Sinne einer Industrialisierung der Konföderation zulässig, noch wurde der Konföderationsregierung das Recht einer eigenen Fiskalpolitik gewährt, da Steuern und Zölle im Wirkungsbereich der Einzelstaaten verblieben. Dafür hob man die strikte Trennung zwischen Amt und Mandat auf. Amtsträger der Konföderation waren Mitglieder auch der Legislative, was ihnen theoretisch mehr Mitsprachemöglichkeiten in der politischen Arena eröffnete. Wieder entsprach die Theorie nicht der politischen Praxis. Die Administration von Davis und Stephens hatte es zeit ihrer vierjährigen Existenz allen Anstrengungen des konföderierten Präsidenten zum Trotz mit einer derartigen Fülle kleinlich-egoistischer Interessenpolitik der Einzelstaaten und rivalisierender Politiker zu tun, daß das konföderierte Staatswesen immer ein Torso blieb. Dazu trug das Fehlen eines stabilen Parteiensystems erheblich bei. Die Strukturen der Whigs und Demokraten waren faktisch zusammengebrochen und existierten bestenfalls noch in Gestalt trauriger Trümmer vormaliger Größe. In einzelnen Staaten gab es de facto kein Zweiparteiensystem mehr, in manchen hatte es nie ein Parteiensystem gegeben. Vielfach waren die Parteien durch personale Beziehungsgeflechte ersetzt worden, was der Politik der Südstaaten strukturell ein gerüttelt Maß an Instabilität und Klüngel einbrachte. Das Vorbild lieferte South Carolina, das weder die allgemeine Fundamentalpolitisierung der USA noch die Tendenz zur Massenpartizipation mitgemacht hatte. Seit dem internen Kompromiß von 1808 zwischen den Großgrundbesitzern der Küstenregion und des Piedmont hatte man dort Politik als Geschäft unter aristokratischen Gentlemen und nicht als Parteipolitik gepflegt. Dessen ungeachtet sollte man die demokratischen Aspekte in der südstaatlichen Politik nicht außer Achtlassen. Seit dem 18. Jahrhundert hatten dort erst eine Mehrheit und dann alle weißen Männer die Chance politischer Machtteilhabe. Vor diesem Hintergrund diente das strikte Rassensystem mitsamt der Sklaverei gerade dazu, die sozialen Ungleichheiten innerhalb einer auf egalitäre Partizipation angelegten Verfassungsstruktur zu überdecken. Amerikanische Forscher sprechen in diesem Zusammenhang gerne von
herrenvolk democracy
. Die Rassenlinie suggerierte eine Gleichheit aller Weißen, von der jeder wußte, daß sie faktisch eine Chimäre war. Dennoch war die egalitäre Semantik kulturell äußerst wirkmächtig. Nur vor diesem Hintergrund ist erklärbar, warum so viele weiße Kleinbauern, die gar keine Sklaven hatten, derart lange und hartnäckig für die Rechte einer Minderheit reicher Plantagenbesitzer kämpften, ja warum überhaupt die Sezession unter diesen Kleinbauern häufig eine stärkere Anhängerschaft hatte als in Kreisen grundbesitzender Whigs. Das politische System des Südens basierte nicht nur auf sozialen Strukturen, sondern auch auf kulturellen Aushandlungsprozessen, in deren Mittelpunkt ein Paradox, ein demokratisch-egalitärer Rassismus mit feudalen Komponenten stand.
    Vergleicht man die Verfassungen der Union und der Konföderation, so fällt unmittelbar auf, daß der Anspruch des Südens, auf der formalen Ebene auf die Intentionen der Gründerväter zurückgegriffen zu haben, etwas für sich hatte. Tatsächlich stimmte die Verfassungswirklichkeit der Union schon seit längerer Zeit nicht mehr mit dem
original intent
überein. Dem waren Parteien und Fraktionen zuwider gewesen, ebenso die Parteilichkeit der Ämtervergabe, das allgemeine Wahlrecht, der Primat des fraktionellen Willens über die meritokratische Vernunft oder die Idee einer starken Bundesregierung, die im Interesse der Industrialisierung und Urbanisierung um eine kohärente Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik bemüht war und damit die Freiheit der Individuen wie die der Einzelstaaten einschränkte. All diese Aspekte waren im Laufe der vergangenen Jahrzehnte allmählich, teils aus Notwendigkeit, teils als Produkt simpler Interessenpolitik, der Verfassungspraxis hinzugefügt worden und hatten eine lebendige Tradition erzeugt, anhand derer die Verfassung nun ausgelegt wurde. Dies war nicht notwendig problematisch,denn nur Doktrinäre glauben, das Wesen einer Sache liege in der Schrift allein. Die Sezessionisten konnten den Wandel gleichwohl aus Eigeninteresse heraus instrumentalisieren. Genau darin aber lag die tiefere Problematik ihres Verfassungsprojekts. Mochte es dem Wortlaut und der

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